Der Widerstand in den USA wird stärker
Verbraucherschützerin Melinda St. Louis über Kritik und Besorgnis gegenüber Freihandel in den Vereinigten Staaten
Wie verlaufen eigentlich die Debatten über das Freihandelsabkommen TTIP in den Vereinigten Staaten?
In den USA ist die Diskussion leider nicht so weit fortgeschritten wie in Europa, die Kritik richtet sich bisher hauptsächlich gegen andere Freihandelsabkommen wie NAFTA oder das transpazifische Abkommen zwischen den USA und Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Mexiko, Peru, Singapur, Malaysia, Vietnam und anderen Ländern. Wir haben daher unseren Fokus auf das sogenannte Fast-Track-Verfahren gelegt. Dabei geht es um das Verfahren, mit dem Präsident Barack Obama versucht, die Entscheidung über Freihandelsabkommen an sich zu ziehen. Damit bleibt dem Kongress nur noch die Zustimmung oder Ablehnung. Dagegen gibt es eine breite Bewegung, wir haben innerhalb kurzer Zeit über eine Million Unterschriften gesammelt. Das Ziel ist auch, den Verhandlern in Europa über die Ablehnung des Fast-Track-Verfahrens deutlich zu machen, dass ihre Ergebnisse nicht dem Willen der Bevölkerung entsprechen.
Stehen auch einzelne inhaltliche Punkte des Abkommens in der Kritik?
Einerseits wächst die generelle Kritik an der Macht der Konzerne. Anderseits beobachten beispielsweise die Verbraucherorganisationen TTIP sehr genau. Sie haben sich etwa bei der Kennzeichnungspflicht für Genpflanzen in den vergangenen Jahren positiv auf die Regelungen in Europa bezogen. Damit konnten immerhin in einigen Staaten Verbesserungen erreicht werden. Das sehen sie jetzt in Gefahr.
Bei der Konferenz der Linksfraktion GUE/NGL wurde besonders der Investorenschutz kritisiert.
Die Schiedsgerichtsverfahren haben in den vergangenen Jahren hauptsächlich Kanada getroffen. Die USA haben dagegen noch kein einziges Verfahren verloren, soweit wir wissen. Auch das zeigt, wie politisch diese Verfahren sind. Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann US-Konzerne europäische Staaten verklagen, sei es nun über TTIP oder über CETA, denn viele Unternehmen haben Töchtergesellschaften in Kanada.
In den USA gibt es seit 20 Jahren Erfahrungen mit dem Freihandelsabkommen NAFTA. Wie bewerten Sie diese in Bezug auf TTIP?
Bei diesem Abkommen wurde uns ähnlich wie bei TTIP im Vorfeld das Blaue vom Himmel versprochen: Wachstum, jährlich 200 000 neue Arbeitsplätze, höhere Löhne ... Die Löhne sind aber gesunken, die Jobs sind prekärer geworden, Fabriken wurden geschlossen, die Arbeitslosigkeit steigt. Das haben sich die Menschen gemerkt.
Wie geht es weiter?
Der Widerstand gegen den Freihandel wird auch in den USA stärker. Gewerkschaften, soziale Bewegungen, Verbraucherschützer haben sich zu Koalitionen zusammengetan. Die Menschen sind auf verschiedenen Ebenen sehr besorgt: Öffentliche Gesundheit ist ein großes Thema und die Verschlechterungen bei den Finanzmarktregulierungen. Um gemeinsam erfolgreich zu sein, ist es nun sehr wichtig für uns, die Kontakte zu den Bürgerbewegungen in Europa auszubauen.
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