Boykott der Niederländer
Oranjes Eisschnellläufer wollen nicht zur Mehrkampf-EM in Russland
In Tscheljabinsk ist alles bereit: Die Millionenstadt am Südural will am 10. und 11. Januar die Europameisterschaft im Eisschnelllauf-Mehrkampf ausrichten - im Eispalast »Uralskaja molnija« (Uralblitz), der den Spitznamen der sechsmaligen Goldmedaillengewinnerin der Olympischen Spiele von 1960 und 1964, Lidija Skoblikowa, trägt. Sogar ein Maskottchen namens »Meteor« haben die russischen Gastgeber für die europäischen Titelkämpfe entworfen, auch wenn der Wettbewerb bestenfalls drittklassig zu nennen ist - jährlich ausgerichtet in einem langweiligen Wettkampfformat. Männer laufen 500, 1500, 5000 und 10 000 Meter, die Frauen 500, 1500, 3000 und 5000 Meter. Es werden Punkte gesammelt und der beste Allrounder gewinnt am Ende der zwei Wettkampftage. Wer's sich im Fernsehen anschaut, braucht Sitzfleisch. Und 21 Tassen Kaffee.
Dennoch könnte die EM das Interesse der Sportwelt bald stark auf sich ziehen: Denn die Niederländer, die den Eisschnelllauf in etwa so dominieren wie die Deutschen den Rennschlittensport, erwägen einen Boykott der EM in Tscheljabinsk. Unter den Oranjes, die im Februar auf dem Eis von Sotschi acht Olympiasiege feierten und dazu sieben silberne und acht bronzene Medaillen mitnahmen, mehren sich die Stimmen, die einen Startverzicht in Tscheljabinsk fordern. Weltmeistertrainer Jan van Veen, der Titelverteidiger Jan Blockhuisen betreut, hat bereits angekündigt, er werde definitiv nicht nach Russland reisen, wegen der Rolle Russlands im Ostukraine-Konflikt und wegen MH17: Die Beziehung der Niederländer zu Russland ist spätestens seit dem Absturz des Passagierflugzeugs im Juli über dem Osten der Ukraine schwer gestört. 298 Menschen starben beim Absturz des Passagierflugzeuges der Malaysian Airlines, noch immer ist nicht klar, was den Absturz des Linienfluges verursacht hat.
Auch Oranjes Teamolympiasiegerin Marrit Leenstra erwägt einen Startverzicht. Sie riet ihren Teamkollegen, sich ihrem Boykott anzuschließen. Selbst Ireen Wüst, Lichtgestalt der holländischen »Schaatser«, sagt, »vom Gefühl her« sei es »nicht richtig«, in Tscheljabinsk ihren Titel zu verteidigen: »Darum schließe ich auch nichts aus«, so die viermalige Olympiasiegerin. Der Königliche Niederländische Eislaufverband (KNSB) will es den Athleten und Betreuern nun freistellen, ob sie in Tscheljabinsk antreten oder eben nicht. »Die Athleten müssen tun, was sie für richtig halten«, heißt es in einer Erklärung.
Andrej Wahutin, Vizepräsident der russischen Eislaufunion TFR, fordert von der Welteislaufunion ISU eine harte Sanktionierung der Sportler, wie er der Nachrichtenagentur Itar-TASS sagte: »Mir scheint, nach diesen Worten muss auch über eine Disqualifikation nachgedacht werden.«
Doch die ISU schweigt zum Thema. Nur ihr Vizepräsident Jan Dijkema, ein Niederländer, hat auf die Boykottandeutungen aus seiner Heimat reagiert: »Es ist ratsam, Sport und Politik auseinander zu halten. Ich sehe keine Veranlassung, die EM zu verlegen«, so zitieren ihn holländische Medien.
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