Großer Streit mit kleiner Wirkung
Gisela Notz beschreibt den steinigen Weg zu einer Geschlechterquote und macht deutlich, warum der vom Kabinett gebilligte Gesetzentwurf für die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht ausreicht
»Laß die Pfoten von den Quoten!« So kanzelte die damalige Pressesprecherin der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), Karin Hempel Soos, auf einer Veranstaltung der SPD Mitte der 1970er Jahre Egon Bahr, damals Bundesgeschäftsführer der SPD, öffentlich ab. Auch viele andere Genossinnen von der AsF lehnten eine Frauenquote als frauenverachtend ab, war doch der Begriff »Quotenfrau« negativ belegt. Die Frauenquote war (zunächst) vom Tisch. Erst 1988 haben die Frauen ihre Meinung geändert und die Frauenquote, die später zur Geschlechterquote aufgehübscht worden ist, unter großem Jubel verabschiedet. Gegner innerhalb der eigenen Reihen sprachen davon, dass die vom Verfassungsgeber geforderte »demokratische Ordnung« in Gefahr sei.
Seitdem ist viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen und die Parteizentrale längst an die Spree verlegt worden. Die Wogen haben sich geglättet. »Frauen haben Qualität in die Politik gebracht«, sagte Hans-Jochen Vogel, 1988 Vorsitzender der SPD, 20 Jahre später bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Mit dabei war Christine Bergmann (SPD), zwischen 1998 und 2002 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im ersten Kabinett Schröder. Bergmann hatte mit ihrem Gesetzentwurf zur Quotierung von Frauen in der Wirtschaft keinen Erfolg und ließ daraufhin »die Pfoten von den Quoten« zugunsten einer »freiwilligen Vereinbarung«, von der sie selbst nicht überzeugt war. Der Gesetzentwurf wanderte in die Schublade und die folgenden konservativen Frauenministerinnen sahen keine Veranlassung, ihn wieder herauszuholen. Für die im vergangenen Jahr verabschiedete Ministerin Kristina Schröder (CDU) war eine gesetzliche Quote gar eine »staatliche Zwangsbeglückung«, weil sie von außen in die Personalentscheidung eingreife.
Es ist Manuela Schwesig (SPD), seit einem Jahr Bundesfamilienministerin, hoch anzurechnen, dass sie das Anliegen in der Großen Koalition wieder aufgenommen hat. Denn leicht war das sicher nicht. Am Donnerstag hat das Kabinett nach langem Streit den Gesetzentwurf für eine Geschlechterquote verabschiedet. »Die SPD hält, was sie verspricht«, erklärte Generalsekretärin Yasmin Fahimi einige Tage vorher. »Das Land kommt voran«, schreibt die SPD auf ihrer Website.
Ab 2016 müssen 30 Prozent der Aufsichtsratsposten an Frauen gehen. Das gilt allerdings nur für die rund 100 börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen. Wenn eines von ihnen die 30 Prozent nicht erreicht, müssen der oder die Posten unbesetzt bleiben. Die etwa 3500 mittelgroßen Unternehmen, die mitbestimmungspflichtig oder börsennotiert sind, sollen sich eigene verbindliche Zielvorgaben beim Frauenanteil in den Führungsetagen setzen; für sie bleibt es also bei der »freiwilligen Vereinbarung«. Die Fortschritte sollen regelmäßig berichtet werden. Sanktionen bei ausbleibendem Fortschritt haben sie nicht zu befürchten.
Sieht man sich die Liste der 30 größten und umsatzstärksten Dax-Konzerne an, so wird deutlich, dass im Juli dieses Jahres nur 24,4 Prozent der Aufsichtsräte weiblich waren. Einige Unternehmen hatten die Quote bereits erfüllt oder lagen darüber. Dazu gehörten Deutsche Bank, Deutsche Post, Telekom und Lufthansa mit 35 Prozent weiblichen Aufsichtsräten, Munich re mit 40 Prozent und Henkel mit 43,8 Prozent. Diese Firmen bringen den Beweis, dass es ausreichend qualifizierte Frauen gibt - und dass diese ein Interesse an einer eigenen Karriere haben.
Der vorliegende Gesetzentwurf soll Frauen und Männer gleichermaßen begünstigen. Männer werden jedoch kaum Veranlassung haben, in die mit wenig Macht, Ansehen und Geld ausgestatteten Frauendomänen vorzudringen, die ihnen bereits vor der Regelung uneingeschränkt offen standen. Die Quote ist deshalb vor allem dazu da, mehr Frauen in die Führungsgremien zu bringen.
Es wird schwer sein, ein Argument gegen die Quotierung zu formulieren, solange die Hierarchien so sind, wie sie jetzt sind. Die Diskriminierung von Frauen auf den unteren Ebenen von Wirtschaft und Verwaltung wird sich durch 100 weitere Führungsfrauen leider nicht ändern. Will man die Gleichberechtigung der Geschlechter wirklich erreichen, bedarf es noch viel grundlegenderer Maßnahmen.
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