Verdi: »Wenn Amazon sich nicht bewegt, bewegen sich die Kollegen«
Ausstand an fünf Standorten / Ver.di: Es geht um einen Grundsatzkonflikt: Weltweit agierender Konzern darf Rechte von Beschäftigten nicht missachten
Update 13.10 Uhr: Nach Amazon-Angaben beteiligten sich weniger als 1100 Mitarbeiter der Frühschicht an den Ausständen in Graben (Landkreis Augsburg), Bad Hersfeld, Leipzig, Rheinberg und Werne. Verdi machte zunächst keine bundesweiten Angaben. Gewerkschaftssprecher vor Ort sprachen von 500 Streikenden in Graben, etwa 100 in Werne und rund 400 in Rheinberg. Bundesweit arbeiten bei Amazon im Weihnachtsgeschäft dem Unternehmen zufolge rund 20 000 Menschen - 10 000 Festangestellte und 10 000 Saisonkräfte. Am Standort Graben sind rund 2000 Mitarbeiter fest angestellt, weitere 1000 sind als Saisonarbeiter beschäftigt.
»Wenn Amazon sich nicht bewegt, bewegen sich die Kollegen«, sagte Verdi-Sprecher Thomas Schneider in Leipzig, wo etwa 200 Mitarbeiter die Arbeit niedergelegt hätten. »Wir kämpfen für den Tarifvertrag Versandhandel. Das ist unser Ziel«, sagte seine Kollegin Sabine Busch in Rheinberg. »Wir wollen uns gegen die Befristungsmethoden und für Tarifverträge durchsetzen«, sagte auch Thomas Gürlebeck, Verdi-Streikleiter in Graben.
Dreitägige Streiks beim Amozon begonnen
Mitarbeiter von Amazon haben am frühen Montagmorgen an fünf Standorten des Versandhändlers die Arbeit niedergelegt. Die Gewerkschaft Ver.di will mit dem dreitägigen Streik kurz vor Weihnachten den Druck auf Amazon im Kampf um einen Tarifvertrag erhöhen. Den Auftakt machte der größte Standort im osthessischen Bad Hersfeld um kurz nach Mitternacht. Mitarbeiter in Leipzig (Sachsen), Graben (Bayern), Rheinberg und Werne (beide NRW) folgten mit Beginn der Frühschicht am Morgen.
»Wir machen so lange weiter, bis wir denken, dass ein gerechtes Niveau für die Mitarbeiter von Amazon erreicht ist«, sagte Gewerkschaftssekretär Heiner Reimann in Bad Hersfeld. Die Gewerkschaft versucht seit mehr als einem Jahr, den Versandhändler zu Tarifgesprächen zu Bedingungen des Einzelhandels zu überreden. Amazon lehnt das strikt ab und sieht sich selbst als Logistiker. Deswegen kommt es seit Mai 2013 immer wieder zu Streiks. Das Unternehmen beschäftigt in bundesweit neun Warenlagern knapp 10 000 Mitarbeiter. Hinzu kommen noch einige Tausend Aushilfen, die für das Weihnachtsgeschäft angestellt wurden.
Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger betonte, die Streiks richteten sich nicht gegen die Kunden, sondern gegen Amazon als Arbeitgeber. Der Konzern weigere »sich weiterhin kategorisch, das Recht der Beschäftigten auf einen Tarifvertrag anzuerkennen und hält Gewerkschaften für überflüssig. Das Unternehmen will willkürlich die Arbeitsbedingungen diktieren, das ist der einzige Grund für Amazons Blockadehaltung. Dagegen wehren sich die Beschäftigten und auch Kunden und Bürger sollten sie darin unterstützen«, so Nutzenberger.
Die Gewerkschafterin sprach von einem Grundsatzkonflikt: »Lassen wir zu, dass ein weltweit agierender Konzern die Rechte von Beschäftigten missachtet oder sorgen wir gemeinsam dafür, dass sich auch Amazon an Regeln halten muss?« Der Druck der Beschäftigten für existenzsichernde Einkommen und gute Arbeitsbedingungen werde nicht nachlassen. Amazon selbst habe es in der Hand, die Streiks im Weihnachtsgeschäft zu beenden, wenn das Unternehmen dazu bereit sei, einen Tarifvertrag abzuschließen.
Unternehmenssprecherin Anette Nachbar versicherte den Kunden am Morgen dagegen, sie könnten sich trotz des Ausstands auf ein pünktliche Auslieferung bestellter Artikel verlassen: »Die Päckchen kommen pünktlich an.« Am heutigen Montag sei der Spitzenbestelltag des Unternehmens.
Dass Amazon trotz der Beeinträchtigungen pünktlich liefert, begründet das Unternehmen mit seinem europaweiten Netzwerk mit 28 Logistikzentren in sieben Ländern. Robert Gottfried Marhan, der Standortleiter des größten Versandzentrums in Bad Hersfeld, erklärte jüngst: »Streiks sind ein Szenario, auf das wir vorbereitet sind.« dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.