Stegner: AfD zeigt ihren ausländerfeindlichen Charakter
Linkenpolitiker Gallert: Einige Politiker und Medien haben zu Rassismus mit beigetragen / 15.000 gegen Flüchtlinge: Zulauf bei Pegida wächst / Etwa 7.500 protestieren gegen rassistischen Aufmarsch in Dresden
Update 14.05 Uhr: Die Linkenabgeordnete Ulla Jelpke hat es «erschreckend» genannt, «dass die Zahl der Demonstranten bei den Pegida-Aufmärschen von Woche zu Woche steigt». Die Wut der Mitläufer richte «sich nicht mehr nur in rassistischer Weise gegen Schwächere und Rechtlose, gegen Flüchtlinge und Migranten, sondern längst auch gegen die herrschenden Parteien, gegen die Presse und die Demokratie an sich», sagte die Bundestagsabgeordnete und sprach von einer «brandgefährlichen Entwicklung». Jelpke sagte, es mache Mut, dass in einer Umfrage «zwei Drittel aller Befragten in Deutschland den Winterabschiebestopp in Schleswig-Holstein und Thüringen unterstützen. Das entzieht der Pegida den Mythos, Stellvertreterin einer schweigenden Mehrheit zu sein».
Update 13.30 Uhr: Der Vorsitzende der Linksfraktion in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, hat Teile der Politik mitverantwortlich für das Grassieren rassistischer Vorurteile gemacht. «Leider müssen wir feststellen, dass anti-muslimische Positionen seit einigen Jahren die akzeptierteste Form der Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft darstellen. Dazu haben einige politische Funktionsträger und Medien im gleichen Maße beigetragen», sagte gallert am Dienstag. «Leider ist diese Saat aufgegangen. Meine Hoffnung besteht darin, dass angesichts der Entwicklung in Dresden alle ihre Verantwortung erkennen und die richtigen Schlüsse aus alten Fehlern ziehen». Gallert sagte zudem, «die Ängste der Pegida-Demonstranten ernst zu nehmen, heißt für Aufklärung zu sorgen und für menschliche Maßstäbe unserer Gesellschaft zu werben». Der Linkenpolitiker wandte sich zugleich gegen Vorstöße, «mit der Begründung, die Ängste der Demonstranten ernst zu nehmen, fremdenfeindliche Ressentiments gerade gegenüber Muslimen» zu verstärken.
Update 12.20: Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hat Äußerungen des AfD-Vorsitzenden Konrad Adam zum Anti-Islam-Bündnis «Pegida» als «ungeheuerliche Entgleisung» kritisiert. Adam hatte die Geiselnahme im australischen Sydney als Rechtfertigung für «Pegida» herangezogen. Stegner sagte am Dienstag in Berlin: «Die AfD zeigt mal wieder ihren wahren ausländerfeindlichen Charakter. Einen Verbrecher in Australien heranzuziehen, um die fremdenfeindlichen Demonstrationen in Dresden zu rechtfertigen, ist infam.» Wer so denke wie die AfD, «bereitet den Weg für Ausländerhatz und brennende Flüchtlingsheime», meinte Stegner.
Update 10.50: Die Alternative für Deutschland (AfD) nutzt die Geiselnahme in Sydney um Stimmung gegen Migranten und für Pegida zu machen. Konrad Adam, der dem dreiköpfigen Führungsgremium der Partei angehört, erklärte am Dienstag, trotz strikter Einwanderungsregeln sei es einem fanatischen Islamisten gelungen, nach Australien zu gelangen. Adam sagte: «Das zeigt, dass es keiner Masseneinwanderung bedarf, um Menschen in Gefahr zu bringen - ein Einzelner genügt.» Nach ersten Presseberichten radikalisierte sich der Geiselnehmer allerdings wahrscheinlich erst in Australien und nicht im Iran.
Update 10.10 Uhr: Zwei Drittel der Deutschen (66 Prozent) befürworten einen Winter-Abschiebestopp für Flüchtlinge. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Magazin Stern. Häufiger als der Durchschnitt sagen die Anhänger der Grünen (83 Prozent) und der Linken (74 Prozent), dass ein Abschiebestopp gerechtfertigt ist. Als falsch wird dieser Beschluss vergleichsweise häufig von Ostdeutschen (34 Prozent) und den Anhängern der AfD (51 Prozent) eingestuft. Als einzige Bundesländer haben Schleswig-Holstein und Thüringen einen Winter-Abschiebestopp für Flüchtlinge erlassen.
Update 7.30 Uhr: Die Union hat sich in einer neuen Forsa-Umfrage um zwei Prozent gesteigert. Die Rechtspartei AfD kommt derweil nur noch auf fünf Prozent - der schlechteste Wert bei diesem Institut seit September. «Dass die CDU, wie auf ihrem Bundesparteitag gerade bestätigt, geschlossen hinter Kanzlerin Angela Merkel steht, wird von den Bürgern honoriert», sagte Forsa-Chef Manfred Güllner der Illustrierten «Stern». Auch weil sich die Union «zudem klar von der AfD abgrenzt», gebe es keine Abwanderungen mehr, so Güllner. «Deshalb rutscht die AfD, die die Anti-Islam-Bewegung Pegida gut findet, auf fünf Prozent ab.»
Etwa 7.500 protestieren gegen rassistischen Aufmarsch in Dresden
Berlin. Das rechte «Pegida»-Bündnis hat in Dresden erneut größeren Zulauf erhalten als noch in der Vorwoche - am Montagabend marschierten nach Angaben der Polizei rund 15.000 Menschen auf, um gegen Flüchtlinge, eine liberale Asylpolitik und eine angebliche Islamisierung der Bundesrepublik zu demonstrieren. Von vor Ort wurde von «Wir sind das Volk»-Rufen ebenso berichtet wie von rassistischen Parolen und rechtsradikalen Rufen. Es war die neunte Demonstration der «Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» in Folge.
Laut Polizei beteiligten sich etwa 5.650 Menschen an verschiedenen Gegenkundgebungen. Die Veranstalter vom Bündnis «Dresden Nazifrei» und der Initiative «Dresden für alle» sprachen von etwa 7.500 Teilnehmern. Die Polizei war mit über 1.300 Beamten aus drei Bundesländern im Einsatz. Zwischenfälle wurden nicht bekannt.
In Berlin-Marzahn marschierten am Montagabend rund 300 Menschen gegen ein dort geplantes Flüchtlingsheim auf. Die rechte Kundgebung stand unter dem Motto «Nein zum Asylcontainer». Dagegen protestieren etwa 1.500 Menschen unter anderem mit Sitzblockaden und mehreren Demonstrationen. Es sei zu einzelnen Rangeleien gekommen, als Gegendemonstranten versucht hätten, zur Demo der Heimgegner zu gelangen, erklärte die Polizei. Nach dem Ende der Demonstration habe sich noch ein Zug von 200 Gegendemonstranten in Richtung des S-Bahnhofes Marzahn bewegt. Eine Sprecherin des Bündnisses «Berlin nazifrei» war mit dem Verlauf der Proteste zufrieden. «Da haben schon ein paar der Rechten keine Lust mehr, das zeigen auch die sinkenden Teilnehmerzahlen», erklärte sie in einer Mitteilung.
Unterdessen geht die Diskussion über den Umgang mit den «Pegida»-Aufmärschen weiter. Nachdem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die Aktionen als «Schande für Deutschland» verurteilt hatte, sprach CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer dies eine «ungeheure Verunglimpfung». SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi konterte in der «Passauer Neuen Presse», Scheuer «liegt mal wieder komplett daneben». Die Sozialdemokratin erklärte, die Kundgebungen von «Pegida» seien keine friedlichen Demonstrationen. «Denn sie vergiften das politische Klima und schüren Hass.» Es sei «ein gefährliches Spiel mit fremdenfeindlichen Ressentiments und tumben Vorurteilen», das die Organisatoren dieser Demos ganz bewusst betrieben.
Am Montag hatte der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, deutliche Kritik an den rassistischen Demonstrationen der «Pegida»-Bewegung geübt. Es liege in der Verantwortung aller demokratischen Parteien, hier klare Signale der Abgrenzung zu setzen, sagte Riexinger in Berlin. Äußerungen aus politischen Parteien, die Verständnis für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit signalisierten, seien fatal, so der Linkenpolitiker. Riexinger kritisierte insbesondere CSU-Chef Horst Seehofer und AfD-Chef Bernd Lucke.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings (CDU), kritisierte die Hintermänner. «Wenn sich die Organisatoren angeblich gegen Islamisierung wenden, sich aber in ihren Forderungen zuallererst mit den Flüchtlingen in unserem Land beschäftigen, zeichnet das ein gefährlich verzerrtes Bild», sagte Krings der «Rheinischen Post». Denn die Menschen, die etwa aus Syrien nach Deutschland kämen, seien selbst auf der Flucht vor den Islamisten in ihren Heimatländern, betonte Krings. Von einer «Islamisierung» durch Flüchtlinge könne keine Rede sein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Aktionen verurteilt. «In Deutschland gibt es zwar Demonstrationsfreiheit. Aber es ist kein Platz für Hetze und Verleumdung von Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen», sagte sie in Berlin. Deshalb müsse jeder aufpassen, dass er nicht von den Initiatoren einer solchen Veranstaltung instrumentalisiert werde.
«Diejenigen, die hier teilnehmen, unterstützen Rassisten, unterstützen rechte Gruppen. Das müssen sie sich auch selber klarmachen», sagte die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, die zusammen mit ihrem Co-Vorsitzenden Cem Özdemir zur Demonstration des Bündnisses «Dresden Nazifrei» in die sächsische Landeshauptstadt gekommen war. Dort nahm unter anderem auch die Linken-Vorsitzende Katja Kipping am Protest gegen die rassistische Stimmungsmache teil.
Auch das Bündnis «Dresden Nazifrei, das jeden Montag gegen »Pegida« protestiert, sieht keinen Anlass, mit »Pegida« in einen Dialog zu treten. Der Interkulturelle Rat in Deutschland sowie Pro Asyl stuften »Pegida« als rassistisch ein. »Die Anführer dieser Demonstrationen sind keine Patrioten, sondern Rassisten, die Menschenrechte infrage stellen und Minderheiten diskriminieren«, betonte Jürgen Micksch, Chef des Interkulturellen Rates. Es wäre allerdings falsch, alle Mitläufer der Demonstrationen als Rassisten zu bezeichnen: »Viele von ihnen haben Ängste, die sie auf Minderheiten projizieren.«
Der Zentralrat der Muslime warf der Politik einen Mangel an Überzeugungsarbeit vor, um manchen Bürgern Ängste vor Zuwanderung zu nehmen. Durch die »Pegida«-Bewegung werde deutlich, dass viele Menschen Angst um ihre Zukunft hätten, sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek im Radiosender Bayern2.
Der Stellvertretende Sprecher der Alternative für Deutschland(AfD), Hans-Olaf Henkel, riet den Mitgliedern seiner Partei ab, sich an »Demonstrationen von selbst ernannten Islamkritikern« zu beteiligen. Dennoch nahm Alexander Gauland, AfD-Landeschef aus Brandenburg, am Montagabend an der Dresdner »Pegida«-Demonstration teil. nd/mit Agenturen
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