Manchmal auch zu robust

Herbert Mies über die Gründung der DKP, die Wende 1989 und das neue Linksbündnis

  • Lesedauer: 7 Min.
Herbert Mies, Jahrgang 1929, war von 1973 bis 1990 Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Der gelernte Schriftsetzer und studierte Volkswirt wurde im Juni 1945 Mitglied der KPD und hatte später verschiedene Funktionen unter anderem in der FDJ inne, deren illegales Zentralbüro Mies bis 1956 leitete. Nach Jahren in der Spitze der verbotenen KPD gehörte Mies zu den Mitgründern der DKP und wurde 1973 Vorsitzender der Partei.Nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus zog sich Mies aus der ersten Reihe der Politik zurück. In seiner Heimatstadt arbeitete er bis 1997 als Vorsitzender des Mannheimer Gesprächskreises Geschichte und Politik. Noch 1995 wurde Herbert Mies an die Spitze der Arbeiterwohlfahrt Mannheim-Schönau gewählt.Mit ihm sprach Tom Strohschneider.
ND: Als Ende September 1968 die Nachricht von der Neukonstituierung der DKP kam, waren viele Genossen der illegalen KPD überrascht. Wie war plötzlich möglich, was nach dem Verbotsurteil von 1956 unmöglich schien: die Gründung einer legalen kommunistischen Partei in Westdeutschland?
Mies: Schon seit 1967 hatte sich eine Bewegung für die Aufhebung des KPD-Verbotes entwickelt, die weit über die kommunistische Bewegung hinausreichte. Hintergrund war die sich abzeichnende Entspannung im Verhältnis zwischen West und Ost. Außerdem war die SPD durch die 68er Bewegung unter Druck geraten. 1969 wollte Willy Brandt »mehr Demokratie wagen«. Eine gewisse Lockerung des Verhältnisses zu den Kommunisten schien da doch angebracht. Eine Aufhebung des Verbots wollten aber weder der damalige Justizminister Gustav Heinemann noch andere Politiker mit denen wir in Kontakt standen. Der Weg, der sich eröffnete, war der einer Neugründung. Im Politbüro der illegalen KPD haben wir dann mehrheitlich entschieden, den Kampf für die Aufhebung des Verbotes fortzusetzen, gleichzeitig aber eine Neukonstituierung anzugehen.

Heißt mehrheitlich, es waren nicht alle für diese Lösung?
Mein väterlicher Freund Max Reimann, der damals Vorsitzender der KPD war, war hin- und hergerissen. Einerseits war er für die Neukonstituierung, weil eine legale kommunistische Partei besser politisch wirken konnte. Auf der anderen Seite hing er stark an der Wiederzulassung der alten KPD, weil sich damit ja auch Traditionslinien verbanden. Diesen Widerspruch fühlten damals viele von uns und im Grunde genommen haben wir es noch heute mit derselben Situation zu tun: Es gibt eine legale kommunistische Partei, aber das KPD-Verbot wurde nicht aufgehoben und seine Folgen wurden nicht annulliert. Noch heute hängt das Verbot als Damoklesschwert über linken Kräften, seine Begründung ist zu einer Art bundesrepublikanischem Verhaltenskodex institutionalisiert worden - als Richtmaß für das Verständnis von Demokratie.

Die 68er-Bewegung hat selbst eine Reihe von kommunistischen Parteien hervorgebracht. Das Verhältnis zu denen war schlecht. Aus politischen Gründen oder wegen der Konkurrenzsituation?
Wir waren gegenüber diesen neuen K-Gruppen in einer gewissen Alarmstellung. Vor allen mit Blick auf jene, die sich als maoistisch bezeichneten. Wir als DKP hatten damals schließlich ein gebrochenes Verhältnis zu Chinas KP, das bis zur totalen Ablehnung von deren Positionen ging. Unsere Kritik richtete sich auch darauf, dass diese radikalen Gruppen nicht aus der Arbeiterklasse und ihren Kämpfen entstanden waren, sondern als Folge der Radikalisierung von Teilen der Intelligenz.

Die DKP wuchs recht schnell und hatte 1973 etwa 40 000 Mitglieder. Worauf ließ sich dieser anfängliche Erfolg zurückführen?
Ich glaube, wir waren in der Phase der Neukonstituierung synchron mit der politischen Strömung, in der sich auch weite Teile der studentischen Jugend, der Intelligenz und auch des linken Teils der gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung befanden. Das ging für die DKP so lange gut, bis eine neue Strömung mit neuen Bezugspunkten und Inhalten die Oberhand gewonnen hatte, die dann von den Grünen aufgefangen worden ist. Von da an begannen für die DKP gewisse Schwierigkeiten. Wir waren nicht nur zaghaft, diese Erscheinungen in eine neue Politik zu überführen, wir waren auch Hemmnissen ausgesetzt.

Gehört dazu auch die enge Anlehnung an Moskau und Ostberlin?
Wir haben, dazu stehe ich auch heute noch, die Entwicklung in den sozialistischen Ländern verteidigt. Aber diese stand oft im Widerspruch zu den geistigen Entwicklungsprozessen im Westen. Doch selbst wenn man hier einen Graben sehen will zwischen unseren damaligen Ansichten zur Entwicklung im sozialistischen Lager und den Auffassungen bei vielen anderen linken und demokratischen Kräften in der Bundesrepublik - eine Zusammenarbeit war trotzdem möglich. Bündnispolitik war damals eine entscheidende Stütze der DKP. Es gab allerdings auch Probleme, etwa die Befürchtung, dass man in der Aktionseinheit mit anderen sein eigenes Gesicht verliert. Oder das Bedürfnis von einigen Genossen, eine führende Rolle in Anspruch zu nehmen. Und sicher haben wir auch nicht alle unsere politischen Ziele im Bündnis mit anderen erreichen können.

Welche wurden denn erreicht?
Unser oberster politischer und moralischer Grundsatz war, dass nie wieder von deutschem Boden ein Krieg ausgeht. Und dem haben wir alles untergeordnet, haben viel in die Friedensbewegung investiert. Nun mag man sich fragen, ob wir uns dabei erlauben durften, andere Ziele zu vernachlässigen. Das wird die Geschichte zeigen. Unsere Bündnisfähigkeit haben wir auf jeden Fall unter Beweis gestellt. Schauen Sie sich doch mal, auch wenn das schlechte Kronzeugen sind, die Verfassungsschutzberichte dieser Zeit an. Da wurde nahezu jede Bewegung und jedes Bündnis als von der DKP initiiert dargestellt.

Apropos initiiert. Bereits Anfang 1967 hatten Kommunisten einen Initiativausschuss für die Wiederzulassung gegründet. Unter ihnen war auch Manfred Kapluck, der in den letzten Jahren als Kronzeuge für die These einer von der SED gesteuerten Westlinken aufgetreten ist. Wie groß war der Einfluss aus Moskau und Berlin wirklich?
Was mein vormals guter Freund Manfred Kapluck da erzählt, ist hanebüchen. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Neukonstituierung der DKP in solidarischer Übereinstimmung auch mit den Führungskräften der SED zustande kam. Walter Ulbricht und das Politbüro der SED teilten unsere Auffassung und ermunterten uns, nicht mehr nur allein Kurs auf die Wiederbelebung der KPD zu nehmen. Und es gab natürlich auch Unterstützung aus Berlin.

Seit Mitte der 80er Jahre wurde die Politik der DKP auch in den eigenen Reihen immer offener kritisiert, etwa mit Blick auf die Bewertung der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, das Verhältnis zu den neuen sozialen Bewegungen und die Forderung nach einer inneren Demokratisierung. Der Historiker Georg Fülberth hat diese Zeit als Abstieg der DKP charakterisiert. Können Sie sich mit dieser Bewertung anfreunden?
Ich habe diese Zeit als die vielleicht größte Herausforderung der DKP und möglicherweise sogar der vorausgegangenen KPD in Erinnerung. Die Welt veränderte sich in großen Schritten, die ökonomischen Grundlagen wandelten sich und dann kam auch noch der erbitterte Kampf in unseren Reihen dazu, was daraus für Schlussfolgerungen zu ziehen seien. Setzen wir den Weg mit Betonung des revolutionären Inhaltes fort oder aber gehen wir, wie von den so genannten »Erneuerern« gefordert, zu reformistischen Positionen über? Das war Kern der Auseinandersetzung, der noch vor dem Zusammenbruch des realen Sozialismus begann.

Die Ablehnung gegenüber den Erneuerern hört man noch heraus.
Ja, die Erneuerer brachten einige neue Gedanken. Anderes hatten auch wir, also die damalige Parteiführung, bereits in unsere Überlegungen einbezogen. Entscheidend aber war, dass die Erneuerer eine ganz andere Partei wollten mit einer ganz anderen Richtung. Sie wollten den Abschied von der revolutionären Perspektive der DKP. Dagegen haben wir uns nicht nur gesperrt, dagegen haben wir mächtig gekämpft. Dass wir uns dabei manchmal auch zu robust verhalten haben, tut mir heute noch leid.

Manche aus dieser Erneuerer-Strömung engagieren sich heute in der PDS. Welche Hoffnungen verknüpfen Sie mit dem Projekt einer linken Parteineugründung?
Ich begrüße diese Entwicklung, weil es heute und auch in der überschaubar nächsten Zeit keine Alternative dazu gibt. Eine solche wäre ja nur, wenn sich aus der linken, pluralistischen Kraft doch eine neue relevante kommunistische Kraft entwickeln würde. Das ist doch nicht drin, oder meinen Sie?

Im Parteibildungsprozess, der zumindest auf dem Papier mehr zusammenbringen soll als PDS und Wahlalternative WASG, spielt die DKP kaum eine Rolle. Warum?
Auf lokaler Ebene gibt es auch Beispiele für eine enge Kooperation. Aber für die Bundesebene mögen Sie recht haben. Ich bedauere das und frage mich aber manchmal, ob das nur an der Distanz der anderen uns gegenüber liegt, oder ob es nicht auch ein Fünkchen eigene Schuld gibt. Ich glaube mitunter, es gibt in der DKP eine Zurückhaltung aus dem falsch verstandenen Bemühen, ja nicht mit der eigenen Position anzuecken.
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