Über Gretel Adorno und Renate Wieland
Sieben Tage, sieben Nächte: Regina Stötzel über Kritik, die Affirmation der Verhältnisse und einen nd-Schwerpunkt über die Frankfurter Schule
»Die Aufgabe des Kritikers ist die Kritik«, pflegte ein früherer Kollege gern und häufig zu sagen. Das klingt banal, doch der Gedanke, der darin steckt, ist - so man ihn teilt - nicht zuletzt für das journalistische Arbeiten bei linken Medien von zentraler Bedeutung: Wer fundierte Kritik übt, hat bereits eine wichtige Aufgabe erfüllt. Es braucht kein Wenn und kein Aber. Wer den Kapitalismus kritisiert, muss sich nicht vorwerfen lassen, keine Alternative auf Tasche zu haben, die sich in Nullkommanix herzaubern ließe. Wer ein Gesetz, eine Äußerung, einen Plan für problematisch hält, muss nicht gleich den besseren Gegenentwurf parat haben.
Linke, kritische Journalisten brauchen nicht zu schreiben: »Die CDU täte gut daran, dies oder das zu tun.« Erstens hört die CDU sowieso nicht auf linke Medien, zweitens gibt es für solche Art der Politikberatung die »Süddeutsche Zeitung« und viele andere. Drittens hat man eben schon einiges getan, wenn man schreibt, was die CDU verkehrt macht. In einer Welt, in der so viele Menschen irgendwie schweigend mitmachen, wird jeder freie und kritische Gedanke dringend gebraucht, auch wenn er zunächst nicht konstruktiv scheint.
... und immer nur Handschuhe
Regina Stötzel über das Leben von Gretel Adorno - hierDas Fräulein aus der Fußnote
Magnis Klaue über Renate Wieland - hier»Hier ist alles falsch«
Thomas Ebermann und Robert Stadlober über die Philosophie Herbert Marcuses - hierEin kleines Fleckchen Saturn
Eine zehnfache Würdigung der »Dialektik der Aufklärung« - hierWir leben in einer durchgeknallten Welt
Raul Zelik über die Aktualität der »Dialektik der Aufklärung« - hier
»Die Mächtigen reduzieren das Denken auf die Affirmation der bestehenden Verhältnisse«, schrieb Alex Demirović in dieser Zeitung. Doch Theodor W. Adorno und Max Horkheimer zufolge sei es möglich, die Vernunft aus instrumentellen Zusammenhängen freizusetzen und »ins Offene« zu denken. Raul Zelik wunderte sich in einer anderen Ausgabe, dass in den Debatten um dschihadistische Barbareien die beiden großen Philosophen des 20. Jahrhunderts kaum eine Rolle spielen - könne man doch sonst nicht den schlichten Gegensatz aufmachen von dem »triebhaften Bösen« und »unserer Zivilisation«.
Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und auch Herbert Marcuse haben das Recht auf kritische und freie Gedanken stets verteidigt. Dass sich etwas praktisch nicht realisieren lasse, sei kein Argument dagegen. Den großen Denkern des 20. Jahrhunderts und ihrer Frankfurter Schule, die das Gegenteil einer Lehranstalt mit festem Unterrichtsplan war, widmete »nd« in diesem Jahr mehrere Texte aus Anlass zweier wichtiger Jubiläen. Vor 70 Jahren verfassten Adorno und Horkheimer die Essaysammlung »Dialektik der Aufklärung«, vor 50 Jahren erschien »Der eindimensionale Mensch« von Marcuse.
Den Abschluss dieser kleinen Reihe bilden auf den folgenden Seiten Texte über zwei Frauen, die auf sehr unterschiedliche Weise Adorno zuarbeiteten. Die eine, Renate Wieland, am Anfang ihrer beruflichen Karriere, die andere, Gretel Adorno, als sie ihre erste berufliche Laufbahn bereits aufgegeben hatte.
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