Petra Pau: Pegida ist »brandgefährliche Mischung«
Schorlemmer: Pegida »geschmacklos und missbräuchlich« / Journalistenverband besorgt über zunehmende Hetze gegen Journalisten / Über 34.000 protestieren in Dresden, München, Kassel, Würzburg und Bonn gegen rechte Pegida-Märsche
Update 17.45 Uhr: Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau hat mit Blick auf die rechte Pegida-Bewegung von einer »brandgefährlichen Mischung« aus Abstiegsängsten und Rassismus gesprochen. Gegenüber dem Südwestrundfunk sagte die Linkenpolitikerin unter Verweis auf soziologische Studien, »dass sich die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit anstaut, dass die zunimmt und dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Gewalt bei ungelösten Problemen wächst«. Dies drücke sich in Politikverdrossenheit, schwindender Wahlbeteiligung, »oder eben auch in dieser Art von Protesten gegen gesellschaftliche Probleme, die so vor Ort überhaupt nicht anzutreffen sind« aus, sagte Pau. Sie verwies zudem darauf, »dass wir hier ein gemeinsames, gesamtgesellschaftliches Problem haben, welches sich übrigens nicht auf Dresden reduzieren lässt. Hier bricht sich etwas Bahn, was sich über längere Zeit angestaut hat.« Als Neonazis wolle sich nicht alle Demonstranten bezeichnen. »Aber offensichtlich ist hier eine Hemmschwelle gefallen, die ich in den letzten Jahren immer noch für verlässlich gehalten habe«, so die Linkenpolitikerin.
Update 16.30 Uhr: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die bundesweiten Demonstrationen gegen die islamfeindlichen »Pegida«-Kundgebungen in Dresden begrüßt. »Die überwältigende Mehrheit der Deutschen ist der Meinung, dass Menschen bei uns Zuflucht vor Bürgerkrieg finden sollen«, sagte Steinmeier am Dienstag »Spiegel online«. Jetzt sei Mitfühlen und Mitanpacken gefordert. »Es geht darum, mit Überzeugung, Leidenschaft und Vernunft für unsere offene Gesellschaft aufzustehen.« Zu den Gründen, warum Menschen an den »Pegida«-Demonstrationen teilnehmen, sagte der Außenminister: »Ja, ich kann verstehen, dass die Unordnung in der Welt vielen Menschen Angst macht. Aber die Antwort darauf kann nicht Abschottung und Hetze sein.«
Update 16.20 Uhr: Der DJV Sachsen ist besorgt über zunehmende Hetze gegen Journalisten auf den »Pegida«-Kundgebungen in Dresden und will notfalls auch rechtliche Schritte prüfen. Insbesondere die »Lügenpresse«-Rufe empfänden viele Journalisten als Bedrohung, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) im Freistaat, Michael Hiller, am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). »Dass am Montag im Rahmen eines Medien-Rankings sogar Namen von Journalisten genannt wurden, ist nicht hinnehmbar«, fügte er hinzu. Die »Pegida«-Bewegung habe sich in den vergangenen Wochen der Recherche verweigert und eine sachliche Berichterstattung oftmals unterbunden. »Offensichtlich verstehen einige 'Pegida'-Vertreter unter dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nur das Recht auf die eigene Meinung«, kritisierte DJV-Landesgeschäftsführer Hiller. Er kündigte an, der DJV Sachsen werde den Umgang mit Medienvertretern bei den Kundgebungen weiter verfolgen.
Update 14.15 Uhr: Der Theologe Friedrich Schorlemmer hat die »Pegida«-Demonstranten scharf kritisiert. Sie würden jeden Dialog verweigern, weil sie kein Konzept und zugleich Angst hätten, demaskiert zu werden, sagte Schorlemmer am Dienstag im Deutschlandfunk. Die Verwendung von Parolen der DDR-Opposition wie »Wir sind das Volk« nannte der ostdeutsche Bürgerrechtler »unverschämt, frech, geschmacklos und missbräuchlich«. Der Freiheitsruf von 1989 sei gegen die Mächtigen von damals gerichtet gewesen, und damit sei ein Dialog zu grundlegenden Veränderungen eingefordert worden.
Zugleich warnte Schorlemmer davor, die anti-islamische »Pegida«-Bewegung zu dämonisieren. Er plädiere für einen gelassenen Umgang, die Bewegung werde in sich zusammenfallen. Allerdings äußere sich bei »Pegida« eine enorme Distanz zum politischen System. Es komme ein genereller Frust auf die Straße, ohne »irgendeinen Hauch von Konzept«. Dem müsse nachgegangen werden
Update 13.00 Uhr: Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat das Singen von Weihnachtsliedern bei der islamfeindlichen »Pegida«-Demonstration am Montagabend in Dresden scharf kritisiert. Das sei »zutiefst geschmacklos«, sagte Meister am Dienstag im Gespräch mit dem Nordwestradio in Bremen. »Pegida« sei ein klares Symbol der Ausgrenzung.
Meister riet den Demonstranten, das Gespräch mit Muslimen zu suchen und dann ein Urteil zu fällen: »Geht hin, sucht sie, sprecht mit ihnen.« Kritisch sieht der leitende evangelische Theologe der größten Landeskirche Deutschlands zudem die intensive Berichterstattung über die »Pegida«-Bewegung der vergangenen Wochen: »Der mediale Transport ist auch ein Verstärker, der nicht ganz positiv ist.«
Update 11.30 Uhr: Der Deutsche Journalisten-Verband sieht das Verhältnis der »Pegida«-Demonstranten zum Grundrecht der Pressefreiheit gestört. Der Verband reagierte am Dienstag empört darauf, dass bei der jüngsten Demonstration am Montagabend in Dresden Namen von Redakteuren genannt wurden, die etwas vermeintlich Falsches über die Bewegung geschrieben haben.
»Der tausendfach skandierte Ruf 'Lügenpresse' ist schon schlimm genug, stellt er doch die Grundwerte des kritischen Journalismus in Frage«, erklärte DJV-Sprecher Hendrik Zörner. »Wenn jetzt auch noch die Namen von unbequemen Journalisten verlesen werden, stellen die 'Pegida'-Demonstranten damit alle Journalisten an den Pranger, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen.« Der Vorfall belege das gestörte Verhältnis, das die »Pegida«-Demonstranten zum Grundrecht der Pressefreiheit hätten.
Update 10.35 Uhr: Der Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, Heinz Buschkowsky, wirbt für Gespräche mit den antiislamischen »Pegida«-Demonstranten. Neukölln mit gut 320 000 Einwohnern hat mit 41,6 Prozent einen der höchsten Ausländeranteile in Deutschland. »Alle pauschal zu Nazis zu stempeln oder als Schande für Deutschland zu bezeichnen, das ist alles kontraproduktiv und auch ehrlich gesagt vom Intellekt her nicht recht ausgewogen«, sagte der SPD-Kommunalpolitiker im Radiosender Bayern 2 an die Adresse seines Parteifreundes, Bundesjustizminister Heiko Maas, gerichtet. Für Buschkowsky ist es wichtig, dass die Politik den »Pegida«-Anhängern einen Dialog anbietet, auch wenn diese dann nicht mitmachen: »Die Gruppe verweigert sich diesen Aufforderungen, das schwächt sie natürlich, weil wer sich dem Diskurs verweigert, der gibt natürlich den Kritikern Recht, die sagen, da geht es nicht um Inhalte, da geht es ums Aufputschen.«
Der Berliner Bischof Markus Dröge hat dazu aufgerufen, die Proteste der islam- und asylkritischen »Pegida«-Anhänger ernst zu nehmen. Er habe sich die 19 Punkte der »Pegida«-Erklärung angesehen, sagte der evangelische Theologe der »Berliner Zeitung«. Er sei dabei erstaunt gewesen, »wie schlicht und harmlos die meisten Forderungen« seien. Da werde etwa eine bessere Betreuung der Flüchtlinge gefordert, eine dezentrale Unterbringung, Hilfe zur Integration. »Da stimme ich zu«, sagte der evangelische Bischof weiter. »Aber man merkt auch, dass diejenigen, die das vertreten, nicht daran glauben, dass unsere Gesellschaft mit den Problemen fertig wird.« Solch mangelndes Vertrauen in die Zukunft müsse ernst genommen werden.
Update 9 Uhr: Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) begrüßt, dass »Pegida«-Anhänger bei ihrer Demonstration am Montag in Dresden Weihnachtslieder gesungen haben. »Wer Weihnachtslieder singt, wird etwa daran erinnert, dass Jesus Christus im Stall geboren wurde, weil er keine Herberge gefunden hat«, sagte der CDU-Politiker in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit dem Onlineportal der »Welt«. »Ein Weihnachtsgebot lautet: Gebt Herberge.« Deswegen sei es »gut, dass die Menschen in Dresden Weihnachtslieder gesungen haben«, unterstrich der Fraktionsvorsitzend: »Ich hoffe, dass sie beim Singen der Weihnachtslieder gespürt haben, was der richtige Weg ist.«
Pegida in Dresden, Widerstand bundesweit:
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An der bislang größten Demonstration der »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida) hatten am Montagabend in Dresden 17.500 Menschen teilgenommen. Zwei Tage vor Heiligabend hatten die Veranstalter zum Weihnachtslieder-Singen auf dem Theaterplatz vor der Semperoper aufgerufen.
Kauder warnte davor, die »Pegida«-Demonstrationen zu verurteilen. »Dass Menschen bei uns auf die Straße gehen und sich zu Themen äußern, die sie beschäftigen, ist nicht nur zulässig, sondern in einer Demokratie normal«, sagte er: »Deswegen sollten wir alle diese Protestmärsche aufmerksam verfolgen und ernst nehmen.« Die Demonstranten dürften nicht pauschal als rechter Mob bezeichnet werden.
17.500 in Dresden bei Pegida
Berlin. In Dresden sind am Montagabend erneut viele Menschen dem Aufruf des rechten Pegida-Netzwerkes gefolgt. Nach Schätzungen der Polizei marschierten etwa 17.500 Menschen gegen Flüchtlinge, Asylrecht und Islam. Doch auch die Gegenbewegung wächst. In der Elbestadt demonstrierten rund 4.500 Menschen gegen Rassismus und Rechtspopulismus, 400 versammelten sich zu einem ökumenischen Gottesdienst, um ihrer Kritik mit Pegida und ihrer Solidarität mit Flüchtlingen Ausdruck zu verleihen.
Vor der Münchner Oper versammelten sich nach Angaben der Veranstalter am Montagabend an die 25.000 Menschen, Die Polizei sprach von mindestens 12 000 Teilnehmern. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), Vertreter verschiedenster Religionen, Künstler und Vertreter von Flüchtlingsorganisationen sprachen sich entschieden gegen jede Form von Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit aus - und für Toleranz und Weltoffenheit. Liedermacher Konstantin Wecker und die Sportfreunde Stiller setzten mit ihren Auftritten ein künstlerisches Zeichen gegen die »Pegida«-Demonstrationen. An einem anderen Platz in München hatten sich laut Polizeiangaben rund 20 »Pegida«-Anhänger zusammengefunden. Ihnen standen rund 200 Gegendemonstranten gegenüber.
Im hessischen Kassel stellte eine Gegendemonstration mit 2000 Teilnehmern die Kundgebung einer Gruppe »Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes (Kagida)« in den Schatten. Diese hatte »ganz genau 165 Menschen« mobilisiert, wie die Polizei mitteilte. Am Rande der Proteste gab es Auseinandersetzungen, acht Menschen wurden vorläufig festgenommen. In Bonn waren etwa 900 Polizisten im Einsatz, um die rund 200 Teilnehmer einer islam-kritischen Kundgebung von gut 2500 Gegendemonstranten getrennt zu halten.
Auch in Würzburg wurde mit Fahnen und Trillerpfeifen gegen »Pegida«-Auftritte und »für ein buntes und weltoffenes Würzburg« demonstriert. An der Abschlusskundgebung nahmen laut Polizei rund 700 friedliche Teilnehmer teil. Wenig später zogen rund 200 »Pegida«-Anhänger durch die Stadt, wie die Polizei weiter berichtete. Mehrere 100 Gegendemonstranten waren vor Ort, es kam zu lautstarken Protesten.
Am Montagabend hatte sich die Stimmung beim Pegida-Aufmarsch im Vergleich zu den Vorwochen deutlich verschärft. Angekündigt war ein gemeinsames Weihnachtssingen vor der Semperoper. Tatsächlich wurden Verunglimpfungen von Politikern und Beschimpfungen von Medienvertretern dort am Montagabend ebenso begeistert bejubelt wie rassistische Sprüche und Ressentiment gegenüber Andersdenkenden. Am kommenden Montag will das rechte Pegida-Bündnis auf einen Aufmarsch in Dresden verzichten.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ist nicht erstaunt über den Zulauf bei den islamkritischen »Pegida«-Demonstrationen in Dresden. Er gehe von einem »seltsamen Klima« in der sächsischen Landeshauptstadt aus, sagte er in einem MDR-Info-Interview. Dort bekämen es eher jene mit der Justiz zu tun, die gegen Rechtsextremismus auf die Straße gingen. 2010 hätten Zehntausende von Bürgern gezeigt, dass sie Dresden nicht den Nazis überlassen wollten. »Und als Dankeschön wurden viele Demonstranten mit Anklagen überzogen«, sagte Ramelow. Auch gegen ihn laufe noch eine Anklage. Er bestehe jedoch darauf, dass das Verfahren geführt werde. nd/mit Agenturen
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