Zollfreier Whiskey für die Deutschland-CIA
Bundesregierung weiß wenig über US-Geheimdienstliegenschaften in Deutschland - und verschweigt den Rest
Der aktuelle CIA-Folterbericht des US-Senates sowie die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden über die NSA-Spionage sollten für die Bundesregierung Grund sein, den Freunden aus Übersee genauer auf die Finger zu sehen. Schließlich praktiziere man «einen 360-Grad-Blick» bei der Spionageabwehr. Behaupten Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein zuständiger Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen.
Sollte das stimmen, so fällt die Antwort auf eine parlamentarische Anfragen der Linksfraktion sehr dürftig aus. Gefragt hatten der künftige Chef des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, André Hahn, die Obfrau im NSA-BND-Untersuchungsausschuss, Martina Renner, sowie der Innenexperte Jan Korte. Sie - und damit die Bürger - werden für dumm verkauft.
Und tatsächlich hat der Bundesnachrichtendienst «im Rahmen der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit» herausgefunden, «dass amerikanische und britische Nachrichtendienste Verbindungselemente in diplomatischen Einrichtungen unterhalten». Vorsichtshalber zählt man die gesamten diplomatischen US-Vertretungen zwischen Berlin und Bremen auf. Auch bei den mutmaßlichen britischen Spionagezentren schrieb man das Telefonbuch ab, um dann anzumerken: «Ob an jedem einzelnen Standort auch Personal von Nachrichtendiensten eingesetzt ist, ist der Bundesregierung nicht bekannt.»
Weitere Informationen können «nicht bzw. nicht offen» mitgeteilt werden, weil sie - «unter dem Aspekt des Schutzes» der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern, «besonders schutzbedürftig» sind. Schutz ist schutzwürdig. Na ja. Beachte man das nicht, wären «erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit» deutscher Nachrichtendienste mit den Partnern zu befürchten. «Staatswohl» geht vor.
Die achtseitige Antwort ist eine Frechheit. Jeder Zeitungsleser weiß mehr. Die Spione des Militärs - von NSA über DIA bis zum INSCOM-Stab - treiben sich vor allem in Stuttgart und Wiesbaden herum. Das US-Generalkonsulat in Frankfurt am Main hat rund 900 Mitarbeiter und ist damit die größte US-Spionageaußenstelle. CIA-, FBI-, ATF-, Secret-Service- und Heimatschutzbeamte geben sich die Klinke in die Hand.
Treiben sie es gar zu wild, werden kleine Achtungszeichen gesetzt. Nach einem sehr langsamen Helikopterflug über dem Konsulat im Sommer bestätigte das Innenministerium: «Einzelne Liegenschaften bestimmter ausländischer Staaten» würden «routinemäßig oder anlassbezogen vom Verfassungsschutz aus der Luft begutachtet».
Die Bundesregierung zieht sich auch auf das NATO-Truppenstatut zurück. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben überlasse «der Truppe einer Vertragspartei und deren zivilem Gefolge sowie den der Truppe gleichgestellten Organisationen» Ländereien zur Erfüllung ihres Verteidigungsbedarfs«. Man ahnt: Der Regierung ist nicht bekannt, ob Dienste dieser Staaten oder anderer NATO-Länder quasi Mitnutzer sind.
Unsere Schutzpatrone wissen ja nicht einmal, ob US- oder die Truppen Ihrer Majestät eigene kabelgebundene Telekommunikationsverbindungen haben. Richtfunkstrecken seien jedenfalls »nicht beantragt«. Thema Baurecht. Für Genehmigungsverfahren seien die für den Bund tätigen Bauverwaltungen verantwortlich. Na super! Mehr Einblick kann man eigentlich nicht haben, wenn das Gastrecht genießende Militär oder dessen Freunde neue Anlagen der Neugier errichten. Doch Fehlanzeige!
Vertragsunternehmen ausländischer Dienste habe man jedenfalls keine Liegenschaften zur Verfügung gestellt, liest man. Weiß die Regierung wirklich so genau, welche Firma für welchen Dienst was sicherstellt? Klar dagegen sei: Man könne durch Notenwechsel mit der US-Regierung Unternehmen, die in Deutschland für die US-Streitkräfte tätig sind, eine Befreiung von den deutschen Vorschriften über die Ausübung von Handel und Gewerbe gewähren. Na immerhin - der CIA-Whiskey ist zollfrei.
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