Millionen mit Marihuana
In den USA boomt das Geschäft mit dem berauschenden Kraut
Am Anfang war eine Annonce. »Die Cannabis-Industrie sucht Mitarbeiter – werde ein Freiheitskämpfer und verdiene 50 000 bis 100 000 Dollar im Jahr«, stand im November 2007 im Anzeigenteil des »East Bay Express«. Richard Lee flankierte mit der provokanten Stellenausschreibung in dem kalifornischen Wochenblatt die Gründung der Oaksterdam University, der ersten US-Hochschule für Geschäfte mit Marihuana. Außerdem wollte er ein Zeichen für die Legalisierung der Droge setzen. Wie sehr Lee der Zeit voraus war, sollte sich noch zeigen.
Sieben Jahre später ist das Cannabis College in Oakland Symbol einer Boombranche: Aus einem kleinen Klassenraum in einer Ladenzeile wurde ein Uni-Campus mit angeschlossenem Museum, Hanflabor und drei weiteren Filialen in den USA. Neben Grasanbau und Kochen mit Cannabis wird dort auch vermittelt, wie der Handel mit Marihuana funktioniert – unter anderem, welche Rechtsrisiken es gibt. Einen offiziell anerkannten Abschluss kann Oaksterdam zwar nicht bieten, trotzdem ist das Abschlusszertifikat gefragt wie nie.
Kein Wunder: Die Nachhilfe können in Amerika derzeit mehr Menschen denn je gebrauchen – in 23 von 50 US-Bundesstaaten ist der Handel mit Marihuana mittlerweile erlaubt. Wenngleich die Droge meist nur zu medizinischen Zwecken zugelassen wird, ist ein großer Markt rund um das Geschäft mit Cannabis entstanden. Branchenexperten gehen davon aus, dass der Umsatz mit legalen Verkäufen 2014 auf umgerechnet fast zwei Milliarden Euro ansteigen und in den nächsten Jahren weiter massiv wachsen wird. Das lockt immer mehr Glücksritter an.
So zum Beispiel Jamie Perino. Sie wird in der neuen TV-Serie »Pot Barons of Colorado« vom US-Sender MSNBC beim Versuch begleitet, in der Marihuanaindustrie ein Vermögen zu machen. »Ich habe alles aufgelöst, was ich hatte – Pensionsfonds, Altersvorsorgekonten – und es in dieses Geschäft gesteckt«, sagt die 37-Jährige.
In Denver, wo es mehr Läden für Kiffer als Starbucks-Filialen gibt, hat sie »Euflora« gegründet – einen Marihuanahandel im Stil eines Apple-Stores. Colorado, Spitzname »The High State«, ist wegen seiner laxen Gesetze inzwischen zur Hochburg der Branche geworden. Dank der Steuereinnahmen ist Marihuana auch für den Staat höchst attraktiv.
Für Unternehmer hingegen ist das Geschäft zwar lukrativ, jedoch auch äußerst riskant und stressig. So erschwert es die Rechtslage, Bankkonten zu eröffnen. In der Firma »Medicine Man« der Brüder Andy und Pete Williams aus Denver stapelt sich darum das Bargeld.
Bei einem Jahresumsatz von zwölf Millionen Dollar wird das schnell lästig – ein Sicherheitsdienst passt auf die Scheine auf, und ständig muss nachgezählt werden. Banken halten sich bisher aus dem Marihuanabusiness heraus, um nicht in den Verdacht der Geldwäsche zu geraten. Deshalb geben sie auch keine Kredite, so dass die Finanzierung von Eigenmitteln und Wagniskapital abhängt.
Auf dem Weg in die Legalität ist Amerikas Dopewirtschaft noch immer ein Cashgeschäft. Mitarbeiter erhalten zum Monatsende Bargeld statt Gehaltsschecks. Die vielen juristischen Hürden und Baustellen sind es auch, die bislang das richtige »Big Money« zaudern lassen – internationales Finanzkapital, Fondsmanager und Firmenjäger der Wall Street.
Doch das werde sich früher oder später ändern, ist man sich in der Branche sicher. »Es wird der Tag kommen, wenn die Gesetze etwas gelockert werden und das große Geld Zutritt zur Industrie erhält«, sagt Pete Williams. »Bis dahin muss unsere Marke entweder groß genug sein, oder wir werden verkaufen.«
Doch gibt es in den USA auch Widerstand gegen den Legalisierungstrend: So wurde der US-Bundesstaat Colorado jüngst wegen der Freigabe von Marihuana von zwei Nachbarstaaten vor dem Obersten Gerichtshof in Washington verklagt. Colorado habe eine »gefährliche Lücke« im bundesweiten System zur Drogenkontrolle geschaffen, kritisierten Oklahoma und Nebraska in der am Donnerstag von der Zeitung »Denver Post« veröffentlichten Klageschrift. Durch diese »Lücke« gelange Marihuana in die Nachbarstaaten und belaste die Arbeit der dortigen Justizbehörden.
Colorados Generalstaatsanwalt John Suthers sagte, die Klage der Nachbarn vor dem Supreme Court komme nicht unerwartet. Seiner Auffassung nach liege das Hauptproblem aber in der mangelnden Umsetzung von Bundesgesetzen und nicht in der Entscheidung der Wähler in Colorado zur Freigabe von Marihuana. Befürworter der Marihuanalegalisierung nannten die Klage »unbegründet«. »Diese Leute sind auf der falschen Seite der Geschichte«, erklärte Mason Tvert von der Lobbygruppe Marijuana Policy Project.
Genauso ist die Mehrheit des US-Kongress gegen weitere Vorstöße zur Legalisierung von Cannabis: Er baute in ein Haushaltsgesetz eine Klausel ein, die der in einem Referendum Anfang November beschlossenen Legalisierung in Washington DC einen Riegel vorschiebt. Der Bundesbezirk Washington steht unter der Oberaufsicht von Senat und Repräsentantenhaus. Wie in einer Reihe von Bundesstaaten ist Marihuana in der Hauptstadt allerdings zu medizinischen Zwecken legal. Agenturen/nd
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