Petra Bläss, Leiterin der DDR-Wahlkommission

  • Lesedauer: 2 Min.

Plötzlich war sie da - eine sympathische, unbefangene, junge Frau, die das tun sollte, was bis dahin die Aufgabe von Egon Krenz war: Wahlen in der DDR zu leiten und zu beaufsichtigen. Bläss, Forschungsstudentin der Germanistik an der Berliner Humboldt Universität, war so sehr der Gegenentwurf zum Parteikader, dass selbst gestählte Korrespondenten aus der Bundesrepublik entzückt waren und wohlwollend die SED-Mitgliedschaft der 25-Jährigen zwischen 1986 und Januar 1990 nicht auf die Goldwaage legen wollten.

Politisch aktiv war Petra Bläss nunmehr im Unabhängigen Frauenverband, und dort in einer Basisgruppe namens Sozialistische Fraueninitiative. Die Aktivistinnen setzten sich für mehr Gleichberechtigung der Frauen und für das Recht auf Abtreibung ein - im Blick zurück auf die DDR wie wohl auch schon angesichts lauter werdender Rufe nach einer baldigen deutschen Einheit. Der Frauenverband schickte Bläss in die Wahlkommission, die sich wie der Runde Tisch aus Vertretern alter und neuer Parteien und Organisationen zusammensetzte. Bei ihrer Konstituierung tagte die Kommission geschlagene acht Stunden - als sich die Türen öffneten, war Petra Bläss die Vorsitzende. Womöglich profitierte sie auch davon, dass die Parteien einander belauerten; jedenfalls nahm sie die Wahl an, weil Frauen eben zugreifen müssten, »wenn sie mal die Chance haben, jemanden an die Spitze zu bringen«.

Die Wahlen zur Volkskammer im März und zu den Kommunalparlamenten im Mai 1990 meisterte sie bravourös; ihre einige Zeit vergebliche Arbeitssuche erledigte sich von selbst, als die PDS sie auf die Liste zur Bundestagswahl Ende 1990 einlud. Da war sie nach eigenem Bekunden längst »voll in der Politik aufgegangen«. Zwölf Jahre blieb sie Abgeordnete, wurde 1998 die erste Bundestags-Vizepräsidentin der PDS, worin die »FAZ« sogar so etwas wie eine »Wende in der deutschen Politik« erkennen wollte. Seit 2003 ist Bläss Politikberaterin, unter anderem auf dem Balkan. wh

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -