Gabriel lobt Hartz als »sozial gerecht«
SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister räumt aber auch Fehler ein: Man hätte »schon damals« den Mindestlohn einführen müssen
Berlin. Der SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe vor zehn Jahren als »richtigen Weg« und als »sozial gerecht« bezeichnet. Der »Bild am Sonntag« sagte der Sozialdemokrat laut einer Vorabmeldung, »vorher war es oftmals lukrativer, Arbietslosenhilfe zu kassieren und zusätzlich irgendwo schwarz zu arbeiten, statt einen normalen Job anzunehmen«. Auch seien zuvor »hunderttausende Sozialhilfeempfänger ohne jede Hilfe einfach durch den Rost« gefallen. Gabriel sagte weiter, »der Erfolg ist ja sichtbar: damals hatten wir 5 Millionen Arbeitslose, heute sind es zwei Millionen weniger«.
Inwieweit der Rückgang der offiziell registrierten Erwerbslosigkeit auf die so genannte Agenda 2010 und Hartz IV zurückzuführen ist, das vor zehn Jahren in Kraft trat, ist unter Experten allerdings umstritten. Die Zahl der offiziell registrierten Erwerbslosen lag laut Bundesagentur für Arbeit im November 2014 bei über 2,7 Millionen. Tatsächlich sind sogar rund 3,5 Millionen Menschen erwerbslos, viele tauchen aber nicht mehr in der Statistik der Bundesagentur als Arbeitslose auf.
Gabriel räumte allerdings auch Fehler bei der Einführung des Arbeitslosengeldes II ein. Die »Bild am Sonntag« zitiert ihn mit den Worten, »es gab auch Fehler«. So habe man etwa »schon damals« den Mindestlohn einführen müssen, »damit dieser unfaire Niedriglohnsektor sich nicht derart ausbreitet«. Die SPD-Spitze hatte sich wie einige Gewerkschaften auch lange gegen die Einführung eines Mindestlohns gestemmt, erst in der Großen Koalition ab 2013 wurden die Pläne für eine Lohnuntergrenze mit erheblichen Ausnahmen real.
Außerdem sei es bei der Hartz-Reform falsch gewesen, so Gabriel rückblickend, Menschen, »die jahrzehntelang gearbeitet haben, dann unverschuldet arbeitslos wurden, nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes bei Hartz IV« genauso zu behandeln »wie diejenigen, die nie gearbeitet haben«. Der »Wert der Arbeit muss erhalten bleiben«, zitiert das Blatt den SPD-Vorsitzenden.
Zuvor hatte die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, eine sehr kritische Bilanz der Hartz-Reform gezogen und einen »grundlegenden Neustart« in der Sozialpolitik verlangt. »Hartz IV bedeutet wirklich Armut per Gesetz«, sagte Kipping in der ARD. Die Reform habe einen Niedriglohnsektor befördert, Lohndumping werde noch mit Steuergeldern unterstützt, weil niedrige Löhne aufgestockt werden. Auch sei keine zusätzliche Arbeit entstanden. »Unsere Bilanz von zehn Jahren Hartz IV besagt ja auch, dass das Arbeitsvolumen in Gänze nicht zugenommen hat, sondern es ist nur neu aufgeteilt worden«, sagte Kipping. Ihre Partei will Hartz IV durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzen, weil unter 1050 Euro pro Monat Armut drohe.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.