Grüne Jugend und Jusos offen für rot-rot-grüne Gespräche
Uekermann will Große Koalition »spätestens 2017« beenden / Kalmer und Marquardt kritisieren Özdemirs Ablehnung scharf / SPD-Generalsekretärin Fahimi nennt Vorschlag von Linksfraktionschef Gysi »absurd«
Berlin. Nach Linksfraktionschef Gregor Gysi hat sich nun auch die Vorsitzende der Jusos, Johanna Uekermann, für mehr Gespräche zwischen SPD, Linkspartei und Grünen ausgesprochen. Auf die Frage, ob sie sich wünschen würde, »dass Bodo Ramelow oder andere Köpfe der Linken« zu einem SPD-Parteitag eingeladen würden, antwortete Uekermann gegenüber der »Welt«: Sie »fände das gut. Das könnte eine spannende Debatte werden. Impulse von außen schaden nie«.
Die Juso-Vorsitzende sprach sich überdies dafür aus, »spätestens 2017« die Große Koalition aufzukündigen. Wenn es dann »für Rot-Grün nicht reicht, ist das beste Bündnis Rot-Rot-Grün«. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe »keinen Plan«, wie sie die vielen Probleme in Deutschland angehen wolle, so Uekermann gegenüber dem Blatt. Mit Linken und Grünen sei »eine sozialere und gerechtere Politik möglich als mit der CDU/CSU«. Linke und Grüne hätten »da allerdings noch einige Schritte zu gehen«.
Zuvor hatte Linksfraktionschef Gysi für ernsthaftere Gespräche mit SPD und Grünen über ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene plädiert und vorgeschlagen, die Parteivorsitzenden sollten für solche Unterredungen Personen benennen, die das gesamte politische Spektrum ihrer Parteien repräsentierten. »Wir müssen ausloten, wo wir uns inhaltlich annähern können«, so Gysi gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. »Es wird Zeit, dass wir ernsthafte Gespräche führen, um zu sehen, was geht.« Bei SPD und Grünen gibt es vor allem wegen Differenzen mit der Linkspartei in der Außenpolitik Vorbehalte gegen Rot-Rot-Grün. Gysi sieht an dieser Stelle aber nicht die größten Hürden. »Ich sage nicht, dass das leicht ist. Aber die eigentliche Schwierigkeit ist die Umverteilungsfrage«, sagte er.
Bei den Spitzen der SPD stieß Gysis Vorschlag auf Ablehnung, in der Parteiführung der Grünen auf ein geteiltes Echo. »Gysis Idee ist absurd«, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Montag. »Die SPD klärt ihre Koalitionsentscheidungen nicht in Arbeitsgruppen. Alle Spekulationen über die nächste Bundesregierung sind knapp drei Jahre vor der Wahl völlig aberwitzig.«
Bei den Grünen erklärte der Vorsitzende Cem Özdemir, »das Ausloten einer Regierungsperspektive sollte nicht mit einem Talkshowauftritt verwechselt werden«. Gegenüber der »Rheinischen Post« sagte er, eine Annäherung an die bundesdeutsche Wirklichkeit könne er bei der Linkspartei bislang nicht erkennen. Er warf der Linkspartei vor einen »Anti-Euro-Kurs«, einen »Anti-Israel-Kurs«, einen »Pro-Putin-Kurs« und einen »Pro-Schulden-Kurs« zu verfolgen, all dies sei mit den Grünen nicht machbar. Özdemir verwies zudem darauf, dass die Grünen mit allen im Parlament vertretenen Parteien regelmäßig im Austausch. Für Sondierungsgespräche sei es aber »drei Jahre vor der Bundestagswahl noch ein bisschen früh«.
Die Spitze der Grünen Jugend wiesen die Äußerungen Özdemirs zurück. »Ich kritisiere die Aussagen von Cem Özdemir scharf. Es ist falsch, Gesprächsangebote der Linken auszuschlagen. Wer laufende Gespräche mit der CDU in der 'Pizzaconnection' akzeptiert, aber Gesprächsangebote für Rot-Rot-Grün zurückweist, macht Grüne zum Steigbügelhalter der CDU«, sagte Bundessprecherin Theresa Kalmer. Gerade in Zeiten eines sichtbaren Rechtsrucks der CSU sei »es wichtig, sich neue linke BündnispartnerInnen zu erschließen. Jetzt sind ernsthafte Gespräche für mögliche Koalitionsoptionen notwendig, um 2017 nicht wieder unvorbereitet in Sondierungsgespräche zu gehen«, so Kalmer.
Auch der Co-Bundessprecher Erik Marquardt forderte die Grünen auf, »das Gesprächsangebot der Linkspartei zu nutzen und GesprächspartnerInnen beider Parteiflügel zu benennen«. Es gebe zwar deutliche inhaltliche Differenzen mit der Linkspartei. »Eine Partei, die nicht ohne innerparteiliche Verfolgungsjagden über Außenpolitik reden kann, hat noch einen längeren Weg zur Regierungsverantwortung vor sich. Bisher ist auch nicht klar, ob die Linkspartei im Bund eigentlich wirklich regieren will, oder ob mit dem Vorstoß eher von innerparteilichen Problemen abgelenkt werden soll«, so Marquadrt. »Wer 2017 regieren will, sollte aber Gesprächsangebote nicht ausschlagen. Besonders in den letzten Wochen wurde wieder deutlich, dass die inhaltliche Schnittmengen mit CDU und CSU sehr überschaubar sind.«
Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, zeigte sich prinzipiell offen für den Vorstoß von Gysi. »Natürlich werden wir ausloten, was geht und was nicht geht. Da sehe ich gar kein Problem«, sagte er dem »Tagesspiegel«. Kellner sagte mit Blick auf die Linkspartei, diese sei »zerrissen zwischen Leuten, die gerne regieren wollen und Leuten, die das scheuen wie der Teufel das Weihwasser«. Offen und interessant werde »sein, ob nach Bildung der rot-rot-grünen Regierung in Thüringen diejenigen in der Linkspartei stärkeren Einfluss bekommen, die offen für Regierungsbeteiligungen sind«, so Gysi. Kellner ging zudem davon aus, dass Gysis Vorstoß vor allem ein Signal an die eigenen Leute ist, »die strikt gegen eine Regierungsbeteiligung der Linken sind«. nd/Agenturen
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