»Grexit« eine von mehreren Optionen
Steffen Stierle und Christoph Mayer über einen möglichen Rauswurf von Griechenland aus dem Euro, den Schuldenberg, der sich in Athen aufgetürmt hat, und die Chancen von SYRIZA zu politischen Reformen
Wenn das linke Bündnis SYRIZA am 25. Januar die Wahlen in Griechenland gewinnt, ist ein Euroaustritt fast unvermeidbar. So verlautete es am vergangenen Freitag im Berliner Kanzleramt und im Finanzministerium. Ob dies stimmt, hängt zum großen Teil von der Bundesregierung selbst ab. Eine SYRIZA-Regierung würde es nämlich nicht auf einen Austritt anlegen. Im Gegenteil: Sie strebt eine Lösung innerhalb der Währungsunion an. Die Troikamemoranden sollen neu verhandelt werden, damit fundamentale soziale Rechte wieder hergestellt werden. Zudem soll im Rahmen einer internationalen Schuldenkonferenz über einen Teilschuldenerlass für Griechenland und andere südeuropäische Länder verhandelt werden. Ein Euroaustritt ist bestenfalls der Plan B.
Die Frage ist nun: Wird SYRIZA mit diesem verhandlungsorientierten Ansatz bei den EU-Partnern auf offene Ohren stoßen. Die Strategie der Bundesregierung ist durchschaubar: Mit den Austrittsspekulationen deutet sie an, dass sie an Verhandlungen nicht interessiert ist. So soll der Eindruck erweckt werden, dass ein Wahlerfolg von SYRIZA automatisch zum Austritt aus dem Euro führt. Da die griechische Bevölkerung mehrheitlich für einen Verbleib des Landes in der Währungsunion ist, könnte dies das Bündnis wichtige Prozentpunkte und eventuell den Wahlsieg kosten. Die alten, korrupten Eliten blieben an der Macht und die Verarmungspolitik der Troika könnte fortgesetzt werden.
Fraglich ist, ob Berlin auch nach einem Wahlsieg von SYRIZA eine derart sture Position beibehalten wird. Schließlich würde eine konfrontative Lösung, bei der Griechenland aus der Eurozone gedrängt wird, unausweichlich mit einer Einstellung des Schuldendienstes einhergehen. Vor ein paar Jahren hätte das vor allem die Finanzinstitute getroffen. Im Zuge der Troika-Bankenrettungspolitik haben die EU-Mitgliedsstaaten jedoch den größten Teil der Forderungen übernommen. Heute liegen 88 Prozent der Forderungen gegenüber Griechenland in öffentlicher Hand. Allein Deutschland haftet im Rahmen der EFSF- und ESM-Kredite für 56 Milliarden Euro griechischer Staatsschulden. Hinzu kommen Anteile im Europäischen Zentralbankensystem und bilaterale Verbindlichkeiten. Die Drohung, Hellas aus der Gemeinschaftswährung zu drängen, richtet sich also zu einem großen Teil gegen die Steuerzahler hierzulande.
So oder so ist es unrealistisch, dass Griechenland all seine Schulden bedienen kann. Die Troikapolitik hat die Gesamtschulden des Landes in die Höhe getrieben und zugleich die wirtschaftliche Basis zerstört, mit der das Geld zur Begleichung der Schulden erwirtschaftet werden könnte. Eine Fortsetzung dieser Politik würde früher oder später zwangsläufig in die Staatspleite führen. Dann stünde auch Deutschland mit leeren Händen da.
Der Vorschlag von SYRIZA, über eine politische Lösung zu verhandeln, ist daher vernünftig. Das Bündnis schlägt eine europäische Schuldenkonferenz vor, ähnlich wie sie 1953 für Deutschland stattgefunden hat. Damals wurden der Bundesrepublik rund zwei Drittel der Schulden erlassen. Die wirtschaftliche Erholung in der Nachkriegszeit wurde durch diesen Schritt überhaupt erst möglich. Das Abkommen wurde übrigens von Griechenland mitgetragen.
Deutschland hat also sowohl ein eigenes Interesse an einem konstruktiven Umgang mit den griechischen Schulden als auch eine historische Verantwortung. Die Linie von Merkel, Schäuble und Gabriel trägt weder dem einen, noch dem anderen Rechnung.
Bleibt zu hoffen, dass sich die griechischen Wähler davon nicht beeinflussen lassen. Denn klar ist: Einen Austritt aus der Eurozone muss die griechische Bevölkerung nicht mehr fürchten als ein »Weiter so« unter dem Diktat der Troika und korrupter Führung im Inneren. Schon jetzt muss die Situation im Land als humanitäre Katastrophe beschrieben werden: Arbeitslosenraten von mittlerweile 60 Prozent bei den Jugendlichen, massenhafte Obdachlosigkeit, ein kollabierendes Gesundheitssystem, die Ausbreitung von Seuchen und die Verarmung breiter Teile der Bevölkerung sind die Folgen des Kürzungsdiktates. Sollte am Ende des Tages eine Kurskorrektur nicht mit einem Verbleib in der Währungsunion vereinbar sein, weil Bundesregierung und EU-Kommission auf stur stellen, wäre der »Grexit« die bessere Option.
Christoph Mayer und Steffen Stierle sind im globalisierungskritischen Netzwerk Attac tätig.
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