In Erfurts geheimer Schatzkammer
Kunstsammlung im Dom ist Testfeld für sakrale Werke
Das prächtige, in Gold- und Rottönen schimmernde Gewand aus dem frühen 14. Jahrhundert dominiert die Domschatzkammer in Erfurt. Die »Elisabeth-Kasel« ist mit Stickereien, Borten und Perlen verziert und springt dem Besucher beim Betreten des kleinen mittelalterlichen Gewölbes wegen der ausgefallenen Farben Aubergine und Rot sofort ins Auge. »Die schwere, mittelalterliche Eisentür verstärkt den Eindruck eines Tresors«, sagt der Kunstbeauftragte des Bistums Erfurt, Falko Bornschein. Seit August können mittwochs und samstags bei Führungen je maximal 15 Neugierige die Schatzkammer beim Kreuzgang besichtigen.
»Wir wollen erst einmal sehen, wie sie bei Besuchern ankommt und wie gerade Textilien und Gemälde auf sich verändernde Temperaturen und Luftfeuchte reagieren.« Nach einem Jahr soll entschieden werden, ob die sakralen Kunstwerke mehr Besucher verkraften können. Noch ist die Domschatzkammer ein Geheimtipp und auch bei Erfurtern kaum bekannt. Nach Angaben der Dominformation haben bisher nur etwa 100 Interessenten das Angebot genutzt.
Einst wurden in dem Raum, der von einer Säule aus dem 15. Jahrhundert getragen wird, die liturgischen Gewänder für die Gottesdienste der benachbarten Kiliani-Kapelle aufbewahrt. Heute zieren Kostbarkeiten aus neun Jahrhunderten den Raum, darunter ein Kreuz aus venezianischem Glas, Monstranzen, Weihrauchgefäße und Pokale aus Gold und Silber, eine Sabbat-Ampel um 1180, eine mit Eisen beschlagene Truhe sowie kostbare Tafelbilder. Das Motiv des Einhorns im Schoß von Maria, erzählt Bornschein, sei in Europa im 15. Jahrhundert etwa 20 Mal belegt, allein in Erfurt ist es sechsmal vorhanden, im Dom gleich dreimal. Ein Kreuz um 1180 kam nur per Zufall in den Domschatz: 1944 fand ein Pfarrer das unscheinbare Stück zwischen anderem Metall, das zum Einschmelzen für den Krieg gesammelt worden war. Geschichtsdaten zu den Kunstwerken suchen Besucher allerdings vergeblich. »Es ist eine Schatzkammer und kein Museum. Informationen gibt es nur bei den Führungen«, sagt Bornschein.
Der Kunstbeauftragte ist nicht nur für die sakrale Kunst auf dem Domberg, sondern für die aller Pfarrgemeinden des Bistums Erfurt verantwortlich. Zwischen 15 000 und 20 000 Objekte seien es insgesamt, die meisten im katholischen Eichsfeld, schätzt der 51-Jährige. An die 60 bis 70 Objekte könnten jedes Jahr mit Geld von Kirche und Denkmalamt, Stiftungen oder Fördervereinen saniert oder restauriert werden. 2014 in der Kur waren etwa die spätmittelalterlichen Malereien in der Probsteikirche St. Marien in Heiligenstadt, die Glasmalerei aus dem 19. Jahrhundert in der Kirche St. Bonifatius in Apolda und drei mittelalterliche Figuren im Kloster St. Ursula in Erfurt. Und 2015? In diesem Jahr sei die Finanzierung für einige Objekte noch nicht klar, sagt Bornschein. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.