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Zehntausende gedenken der Terroropfer

Frankreich sagt: »Wir sind alle Charlie« / Solidarität auch mit den Getöteten im jüdischen Supermarkt / Neonazi Le Pen diffamiert »Charlie Hebdo« als »die Moral zersetzend«

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. In Frankreich haben am Samstag zehntausende Menschen der Opfer der Angriffe auf das Satire-Magazin »Charlie Hebdo« und auf einen jüdischen Supermarkt in Paris gedacht. In dem Geschäft waren Yoav Hattab, Philippe Braham, Yohan Cohen und François-Michel Saada von einem Attentäter ermordet worden, der sich als Kämpfer des Islamischen Staats ausgab.

Vor der für Sonntag geplanten Großkundgebung in Paris gingen in Nizza, Pau, Orléans und anderen Städten zehntausende Menschen auf die Straße, um den Angehörigen und Freunden der Getöteten ihre Solidarität zu bekunden. Allein in der 80.000-Einwohner-Stadt Pau im Südwesten Frankreichs versammelten sich etwa 30.000 bis 40.000 Menschen.

»Dies ist eine großartige Volksbewegung«, sagte Paus Bürgermeister François Bayrou. Der Marsch formierte sich hinter einem Transparent mit der Aufschrift »Wir sind alle Charlie«. Unter dem selben Motto versammelten sich im südfranzösischen Nizza zwischen 23.000 und 30.000 Menschen, die schweigend die Strandpromenade entlangzogen, bevor sie am Denkmal für die Kriegstoten Blumen niederlegten. Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi betonte, die Kundgebung sei von den Bürgern selbst und nicht von Politikern organisiert worden.

In zentralfranzösischen Orléans kamen laut der Polizei 22.000 Menschen zusammen. In Caen in der Normandie versammelten sich rund 6.000 Menschen vor dem Friedensdenkmal, wo sie das Lied »Ma Liberté« (Meine Freiheit) von Serge Reggiani anstimmten. Jeweils mehrere tausend Menschen gingen in Lannion, Bourges, Saint-Nazaire und Martigues auf die Straße. Für Sonntag ist in Paris eine zentrale Kundgebung im Gedenken an die 17 Opfer der islamistischen Anschläge und Geiselnahmen geplant, die am Freitag mit dem Tod der drei Attentäter endeten.

Derweil hat der Gründer der rechtsextremen französischen Partei Front National (FN), Jean-Marie Le Pen, die Solidarität mit dem linken Satire-Magazin »Charlie Hebdo« verweigert. Alle sagten derzeit, »Wir sind Charlie« oder »Ich bin Charlie«, aber dem könne er sich nicht anschließen, sagte Le Pen am Samstag in seinem im Internet veröffentlichten Videotagebuch. »Es tut mir Leid, ich bin nicht Charlie.« Er »werde nicht kämpfen, um den Geist von Charlie zu verteidigen, der ein anarchisch-trotzkistischer Geist ist, der die politische Moral zersetzt.« Der Angriff auf das Magazin sei ein Beweis für die zunehmende Unsicherheit im Land. Die Regierenden der letzten Jahrzehnte trügen die Verantwortung, da der Terror »offensichtlich« mit der Masseneinwanderung verbunden sei.

Unterdessen hat die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas den Anschlag auf »Charlie Hebdo« verurteilt. »Meinungsverschiedenheiten können keinen Mord rechtfertigen«, betonte die Hamas in einer am Samstag auf französisch veröffentlichten Erklärung. Gleichzeitig wies die Organisation eine Äußerung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zurück, der den Anschlag von Paris in eine Reihe mit den Raketenangriffen der Hamas auf israelisches Gebiet gestellt hatte. Es handele sich um »verzweifelte Versuche« Netanjahus, eine Verbindung zwischen der Hamas und dem palästinensischen »Widerstand« und dem globalen Terrorismus zu ziehen, erklärte die Organisation.

Solidarität mit den Opfern der Anschläge war in der ganzen muslimischen Welt zu vernehmen. Zeitungen kritisierten am Samstag die von Islamisten verursachte Gewalt. Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sprach seinem Amtskollegen François Hollande am Freitag sein »erneutes aufrichtiges Beileid im Namen Ägyptens« aus. Auch der irakische Schiitenprediger Muktada al-Sadr verurteilte die Angriffe als »nicht der Ethik des Islam« entsprechend. Der Chef der schiitischen Hisbollah im Libanon, Hassan Nasrallah, sagte, Terroristen hätten dem Islam mehr geschadet als jeder andere in der Geschichte. »Sie haben den Propheten Gottes und die islamische Welt beleidigt«.

Arabische Zeitungen druckten als Zeichen der Solidarität Karikaturen, die sich mit den Angriffen auseinandersetzen. So zeigt die libysche Zeitung »Al-Wasat« den berüchtigten Extremisten »Jihadi John«, wie er vor laufender Kamera einen Stift enthaupten will. »Jihadi John« hatte im vergangenen Sommer mehrere Geiseln des Islamischen Staates (IS), darunter britische und amerikanische Journalisten, getötet. Die ägyptische Zeitung »Masry al-Youm« dreht den Spieß um: Ein mit einem Stift bewaffneter Zeichner jagt ein gehörntes Ungeheuer, auf dem »Intoleranz« geschrieben steht.

In einem Kommentar benennt die Zeitung die islamistischen Angriffe in Frankreich als Massaker, die »nichts mit Religion zu tun haben«. Als Adresse an die Attentäter heißt es weiter: »Zeitungen kann man nicht erschießen.« Für Samstagabend hat die Zeitungsgewerkschaft Marokkos eine Mahnwache in der Hauptstadt Rabat angekündigt. Die ägyptische Gewerkschaft plant unter dem Titel »Zur Verteidigung der Meinungsfreiheit und dem Wohl der freien Rede« in der Hauptstadt Kairo ebenfalls eine Mahnwache für Sonntag. Agenturen/nd

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