Ein Ort hofft, dass die Täter gefasst werden

Nach den Brandanschlägen auf Asylbewerbeunterkünfte in Vorra gibt es noch keine heiße Spur

  • Klaus Tscharnke, Vorra
  • Lesedauer: 3 Min.
Unbekannte haben im Dezember im fränkischen Vorra einen Brandanschlag auf zwei Asylunterkünfte verübt. Einen Monat danach fehlt von den vermutlich rechtsextremen Tätern weiterhin jede Spur.

Genau weiß es keiner. Aber fast jeder in Vorra hat seine eigene Theorie, warum sich die Unbekannten gerade ihren Ort für einen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim ausgesucht haben. Erna Schlenk ist jedenfalls überzeugt, dass es an der Lage des früheren Gasthofs »Zur Goldenen Krone« lag, der eigentlich zum Jahresanfang als Asylunterkunft genutzt werden sollte. »Die konnten sich schnell über den Berg davonmachen. Da oben gibt’s ja kaum noch Häuser«, glaubt die ältere Bewohnerin der fränkischen Ortschaft einen Monat nach der Tat. Oberhalb des Orts beginnt dichter Wald.

Tatsächlich hat der wuchtige Gasthof-Komplex am Fuß des Hausbergs Kleine Wacht wahrscheinlich dafür gesorgt, dass der oder die Täter trotz der Ortsnähe des Gebäudes weitgehend unentdeckt geblieben sind. Sie hatten in der Nacht zum 12. Dezember Brandsätze im hölzernen Treppenhaus gelegt. Das Gebäude brannte völlig aus. Auch ein nahe gelegenes Wohnhaus, in dem ebenfalls demnächst Asylbewerber einziehen sollten, steckten sie in Brand.

Anschließend sprühten sie mit roter Farbe eine ausländerfeindliche Parole und Hakenkreuze an die weiße Wand eines Scheunenanbaus - und verschwanden danach unerkannt. Viele Spuren haben sie dabei anscheinend nicht hinterlassen. Denn bei der Suche nach ihnen tappt die Polizei auch einen Monat nach der Tat weitgehend im Dunkeln. »Es gehen zwar viele Hinweise aus der Bevölkerung ein, eine heiße Spur ist jedoch nicht dabei«, berichtet die Nürnberger Polizeisprecherin Elke Schönwald.

Dabei gehe die 30-köpfige Sonderkommission »Vorra« jeder kleinsten Spur nach, versichert die Polizeisprecherin. Seit der Tatnacht sind bei der Kripo 65 Hinweise eingegangen. 200 Spuren verfolge die Soko, wobei sich aus jeder Spur meist eine Unterspur ergebe, die ebenfalls überprüft werde, schildert Schönwald. »Das ist aufwendige Kleinarbeit.«

Insgesamt hätten 500 Vernehmungen stattgefunden. Jeder Schaulustige in der Tatnacht sei ein potenzieller Zeuge, erläutert die Polizeisprecherin. Besonders interessiert ist die Polizei an Handyfotos, die Bewohner an den beiden Brandorten gemacht haben. Möglicherweise seien Hinweise auf die Täter darauf. Ein Kripobeamter steht die Woche über stundenweise im Rathaus als Gesprächspartner zur Verfügung. Schriftliche Hinweise können in einem Briefkasten vor dem Rathaus eingeworfen werden.

Bei der Vorraer Bürgerschaft selbst hat sich einen Monat nach der Tat nach Angaben von Bürgermeister Volker Herzog (SPD) wieder die Normalität eingestellt. Dennoch gibt es genügend Spuren, die an den Brandanschlag erinnern. Vor dem Eingang des ausgebrannten früheren Wohnhauses liegen noch immer verkohlte Holzbohlen. Ein Gerüst und Fangnetze am ausgebrannten Gasthaus »Zur Goldenen Krone« sollen Passanten vor herabfallenden Ziegeln schützen. Am Geländer der Pegnitzbrücke prangen Transparente mit einem Bild der Menschenkette, zu der sich Bürger am Sonntag nach der Tat formiert hatten.

In die Betroffenheit mische sich inzwischen Unsicherheit, berichtet der Bürgermeister. »Die Leute hoffen, dass endlich die Täter gefunden werden«, sagt er. »Da kommen seltsame Theorien zustande«, wer die Täter sein könnten. Und auch Fritz Meixner vom örtlichen Ehrenamtskreis Flüchtlingshilfe beobachtet mit Sorge Stammtischdiskussion, bei denen darum gestritten wird, »wer den Anschlag gemacht haben könnte«. »Wir versuchen aus solchen Diskussionen die Luft rauszunehmen«, sagt Meixner, der einen Fahrdienst für Flüchtlinge im Nachbarortsteil Alfalter organisiert.

Unter den im dortigen Gasthof »Goldenen Stern« untergebrachten Asylbewerbern habe anfangs große Angst geherrscht, dass Täter auch sie heimsuchen könnten, berichtet Meixner. »Sie haben tagelang nicht ihre Unterkunft verlassen.« Die Besitzerin des Gasthofs habe inzwischen die Beleuchtung vor dem Gasthof verbessert. Bewegungsmelder an der Hausfassade sollen potenzielle Täter abschrecken. Bei der Gemeinde hat der Helferkreis darauf gedrungen, die Straßenbeleuchtung in Alfalter die ganze Nacht angeschaltet zu lassen. Bislang ist sie von 2 Uhr bis 4 Uhr abgeschaltet. »Dann ist es hier stockdunkel«, sagt Meixner. dpa/nd

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