Rotlichtverstoß auch mit Schätzung feststellbar
Verkehrsrecht
Die Beamten müssen jedoch Indizien vorlegen können, woran sich erkennen lässt, dass die Ampel zweifelsfrei länger als eine Sekunde auf Rot stand. So hat das Amtsgericht Lüdinghausen (Az. 19 OWi-89 Js 1024/14-97/14) entschieden.
Wie die Deutsche Anwaltshotline (D-AH) berichtet, hatte ein Autofahrer eine rote Ampel überfahren. Sein Pech aber, dass ihn ein Polizeibeamter außer Dienst dabei gesehen hatte. Da dieser aber keinen Polizeiausweis bei sich hatte, stellte er ihn nicht unmittelbar zur Rede.
Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen einem einfachen Rotlichtverstoß und einem sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoß.
Ein qualifizierter Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die Lichtzeichenanlage nicht nur bei Rotlicht, sondern später als eine Sekunde nach Anzeigen des Rotlichts überfahren wird oder wenn bei einer Rotlichtampelüberquerung andere Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet werden.
Die Folgen dieser Differenzierung sind erheblich:
- Der einfache Rotlichtverstoß wird mit einer Geldbuße (90 Euro) und einem Punkteeintrag in der Flensburger Verkehrssünderkartei (3 Punkte) geahndet.
- Der qualifizierte Rotlichtverstoß zieht regelmäßig eine höhere Geldbuße (200 bis 360 Euro), einen höheren Punkteeintrag (4 Punkte) sowie ein Fahrverbot (1 Monat) nach sich. nd
Am nächsten Tag im Dienst konfrontierte der Polizist den Autofahrer mit dem Rotlichtverstoß. Der Fahrer bestätigte zwar, an Ort und Zeit unterwegs gewesen zu sein. Eine rote Ampel überfahren zu haben, daran könne er sich aber beim besten Willen nicht erinnern.
Der Beamte aber war sich nicht nur dessen sicher, sondern auch, dass die Ampel deutlich mehr als eine Sekunde Rot gewesen war. Der Autofahrer habe sich daher eines sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoßes schuldig gemacht, was 200 Euro an Bußgeld und vier Punkte bedeutet.
Der Beschuldigte ging vor Gericht, wo er schilderte, dass er unter Umständen von der Sonne geblendet wurde. Das hielt der Richter zum Zeitpunkt nicht für ausgeschlossen.
Der Polizist bestätigte, sich sicher zu sein, dass die Ampel mehrere Sekunden rot war. Er hatte aber weder auf die Uhr gesehen noch sonst irgendeine Messung vorgenommen. Das muss er zwar nicht, so das Gericht, er müsse aber Indizien vorweisen, die den qualifizierten Rotlichtverstoß belegen.
»Eine rein gefühlsmäßige Schätzung langte dem Gericht hier nicht aus«, erläutert Rechtsanwalt Frank Böckhaus von der Deutschen Anwaltshotline das Urteil. Dennoch verurteilte das Gericht den Beklagten wegen eines einfachen Rotlichtverstoßes, als wäre die Ampel noch nicht eine ganze Sekunde auf Rot gewesen. Dieser Verstoß kostet 90 Euro und drei Punkte im Flensburger »Sündenregister«. D-AH/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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