Nadelnde Windspiele
Bernd Kammer über den Abschied vom Weihnachtsbaum
Wie grün auf einmal unsere Straßen und Plätze geworden sind: Hunderttausende Weihnachtsbäume säumen die Straßenränder. Eben noch voller Lametta und anderem Glitzerzeugs Mittelpunkt unserer guten Stuben, sind sie über Nacht obdachlos geworden. Eigentlich ein erbarmungswürdiger Anblick, wie die Nadeln so dahinrieseln, sofern sie nicht schon in Polstern und Teppichen stecken oder sich auf andere Weise an ihren Entsorgern gerächt haben (nie wieder wird der Autor dieser Zeilen einen Baum durchs Fenster werfen, ohne sich zu vergewissern, dass der Obermieter es nicht justament genauso macht).
Dabei ist der Baum an sich nicht nachtragend und bietet auch nach seinem Rausschmiss vielfältige Verwendungsmöglichkeiten. So sorgt er mit seinem Rest-Grün in freier Natur noch für einen kleinen Lichtblick in grauer Jahreszeit. Und unseren Jüngsten helfen die nadelnden Ungeheuer ein wenig über den Schneemangel hinweg. In einer kleinen Pankower Straße haben sie es jedenfalls nicht allein dem Wind überlassen, die Krücken zu wilden Haufen aufzuschichten und darin rumzutoben. Baumhöhle statt Iglu. Dabei ist auch in den Wohnungen jetzt wieder Platz, Katzen und Kinder können frei laufen gelassen werden, ohne befürchten zu müssen, dass sie um die Wette den Stamm raufkrabbeln.
Doch das Ende seiner Laufbahn ist abzusehen. Hat er uns zwei, drei Wochen lang das Herz erwärmt, dient er jetzt ganz allgemein als Wärmespender, wenn ihn die BSR einsammelt und verfeuert.
Bis zum nächsten Mal also, wenn wir der nächsten Generation Weihnachtsbäumen ein kurzes schönes Leben bescheren.
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