Jerusalem trägt Trauer

Israel trägt die vier jüdischen Terroropfer von Paris zu Grabe

  • Sara Lemel und Lisa Kreuzmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Vier jüdische Opfer des Terrors in Paris fanden am Dienstag in Jerusalem ihre letzte Ruhe. Die große Gedenkfeier am Stadtrand wurde allerdings zu einer offen politischen Veranstaltung.

Jerusalem/Paris. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin schämt sich seiner Tränen nicht. »Nicht so wollten wir euch in Israel empfangen«, sagt er mit erstickter Stimme. »Wir wollten euch lebend.« Israels Führung versammelte sich am Dienstag in Jerusalem geschlossen zum Begräbnis der vier jüdischen Opfer des islamistischen Terrors in Paris. Ein Onkel des Opfers Johan Cohen sagte: »Er war erst Anfang 20 und voller Lebensfreude. Die Familie ist zerstört.«

Am Tag der Beisetzung flattern schwarze Banner im Wind. »Jerusalem ist Charlie« und »Jerusalem umarmt das französische Volk«, heißt es darauf auf Hebräisch und Französisch.

Warum lassen sich viele Juden in Israel und nicht in ihrem Heimatland - in diesem Fall Frankreich - begraben? Die Beisetzung sei eine persönliche Entscheidung der Familien und keinesfalls eine offizielle Politik Israels, betonte Jigal Palmor von der Jewish Agency, die sich für die Einwanderung von Juden nach Israel einsetzt. »Es hat sicher etwas damit zu tun, dass sie als Juden ermordet wurden«, sagte er. Mit dem Begräbnis im Heiligen Land wollten die Familien »die jüdische Identität der Opfer würdigen, als eine Art letzte Hommage«.

Das feierliche Begräbnis in Jerusalem löst bei vielen Israelis ein starkes Gefühl von Déjà-vu aus: Wieder vier Särge, wieder vier französische Terroropfer, die in israelischer Erde begraben werden. Denn schon vor knapp drei Jahren waren in Jerusalem nach einem islamistischen Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse vier Opfer beigesetzt worden - drei von ihnen waren Kinder. Vorfälle wie diese nähren die Überzeugung, Juden seien nirgendwo auf der Welt mehr sicher.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Juden in Frankreich angesichts von Anschlägen und antisemitischen Übergriffen mehrfach dazu aufgefordert auszuwandern. Israel sei »die eine historische Heimat, die sie immer aufnehmen wird«. Unterschwellig schwingt die Kritik mit, Frankreich könne seine jüdischen Bürger nicht ausreichend schützen.

Vor gut einem Jahrzehnt hatten ähnliche Äußerungen des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon noch einen offenen Eklat mit Paris ausgelöst. Scharon hatte 2004 einen »entfesselten Antisemitismus« in Frankreich angeprangert und die Juden aufgefordert, »so schnell wie möglich« nach Israel auszuwandern. Präsident Jacques Chirac erklärte ihn daraufhin zur »unwillkommenen Person«. Erst ein Jahr später kam es wieder zu einer vorsichtigen Versöhnung.

Im Vergleich zu damals ist die Reaktion Frankreichs diesmal deutlich gedämpfter. Dennoch findet Umweltministerin Ségolène Royal bei der Trauerzeremonie in Jerusalem klare Worte: »Frankreich ohne Juden wäre nicht mehr Frankreich.«

Doch viele Juden in Frankreich fühlen sich einfach nicht mehr sicher. Salomé Levy, die Netanjahus Besuch in Paris aus der Nähe mitverfolgt hat, spielt mit dem Gedanken, das Land zu verlassen. »Nach Israel oder in ein anderes Land, in dem wir unseren Glauben frei leben können, ohne dafür angegriffen zu werden«, erklärt auch Wendy Achour. Denn Ausgrenzung und Anfeindungen von Juden seien in Frankreich an der Tagesordnung. »Es gibt hier keinen, der das noch nicht erlebt hat«, bestätigt Michael Benmoudssa.

Die 18-jährige Schülerin Esther Bekerman hat in dem jüdischen Supermarkt, in dem einer der Pariser Attentäter vier Menschen tötete, einen Freund verloren. »Warum er?«, fragt sie, »warum wir?«. Sie selbst sei in der Pariser U-Bahn bedroht worden, weil sie jüdische Kleidung getragen habe.

Vom islamistischen Terror seien nicht nur Juden betroffen, sagt Henri Tordjman. Der 54-Jährige arbeitet in einer jüdischen Metzgerei im Pariser Marais-Viertel. Sein Kollege ist Muslim. Und die Männer erklären, sie beide hätten nach dem Attentat gleichermaßen Angst, ihre Kinder in die Schule zu schicken. »Wir sitzen doch alle im selben Boot.« dpa/nd

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