Neonazis nutzen Mobilisierungsmarke Pegida
Experte Reif-Spirek: Gegendemonstranten verkörpern buntes, weltoffenes Thüringen / Unter dem Label Pegida bundesweit sehr unterschiedliche Kräfte versammelt
Berlin. Etwa 500 bis 600 Menschen haben in Suhl als »Sügida« gegen eine angebliche Überfremdung, gegen Flüchtlinge und Einwanderung demonstriert. Der stellvertretende Leiter der Thüringer Landeszentrale für Politische Bildung, Peter Reif-Spirek, erklärt im Interview der Deutschen Presse-Agentur den Unterschied zur Pegida-Bewegung in Dresden. Der Politikwissenschaftler beschäftigt sich unter anderem mit rechten und rechtsextremen Phänomen in Europa, Deutschland und Thüringen.
Wer hat nach Ihrer Wahrnehmung aufseiten der »Sügida« demonstriert? Und aus welchem Spektrum kamen die Gegendemonstranten?
Peter Reif-Spirek: Neonazis haben versucht, mit der erfolgreichen Mobilisierungsmarke Pegida aus ihrer politischen Isolation herauszukommen. »Sügida« war eine rechtsextreme Demonstration, durchaus erfolgreich in der Mobilisierung der eigenen Szene im thüringisch-fränkischen Raum, aber ohne Ausstrahlung in die Mitte der Thüringer Gesellschaft. Die Gegendemonstranten verkörperten das bunte, weltoffene Thüringen – von der neuen Landesregierung, über Vertreter der Kirche bis zu Flüchtlingsinitiativen.
In welchem Verhältnis stehen die Proteste in Suhl zu den Pegida-Demonstrationen in Dresden?
In Dresden demonstriert die Mitte der Gesellschaft ihre fremdenfeindlichen Ressentiments und ihren Wohlstandschauvinismus. Das zieht natürlich auch extreme Rechte an, aber diese stellen nicht – wie in Suhl – den organisatorischen Kern der Bewegung. Pegida Dresden steht auch im engen Zusammenhang mit dem Wahlerfolg der AfD Sachsen – ein Landesverband, der früh auf Islamophobie als Wahlkampfthema gesetzt hat. Insofern hat Pegida eine ganz andere Mobilisierungskraft als »Sügida« oder ähnliche Initiativen im Bundesgebiet.
Wie sollte man in Zukunft mit weiteren »Sügida«-Veranstaltungen umgehen?
So wie wir mit allen anderen rechtsextremen Demonstrationen in Thüringen umgegangen sind: In dem wir unseren demokratischen Protest und Widerstand deutlich machen.
Es wird immer wieder darüber debattiert, ob man mit Pegida und deren Ablegern den Dialog suchen sollte. Ist das aus eine gute Idee?
Unter dem gemeinsamen Label Pegida können sich sehr unterschiedliche Kräfte versammeln. Mit Neonazis sollte man keinen Dialog führen, weil dies auf eine Anerkennung ihrer Kader hinausliefe. Sie würden sich danach nur als die wahren Vertreter des Bevölkerung in Szene setzen. Die Mitte der Gesellschaft ist aber immer ein umkämpfter Ort, den man nicht aufgeben darf. Wir wissen dank des Thüringer-Monitors von der Verbreitung fremdenfeindlicher Ressentiments in beachtlichen Teilen der Bevölkerung. Und natürlich muss mit diesen Menschen der Dialog gesucht werden. Dazu bedarf es aber nicht der Einladung der Pegida-Initiatoren, sondern einer klaren humanen und weltoffenen Haltung am Stammtisch, am Gartenzaun, im Alltag.
Dort muss ein neues gesellschaftliches Leitbild, in der auch Migranten und Flüchtlinge selbstverständlich am demokratischen Leben teilnehmen können, verhandelt werden. Angesichts des Armutsgefälles und dem dramatischen Zerfallsprozess internationaler Ordnungsstrukturen wird Deutschland weiter Zielpunkt von Migrationsbewegungen sein. Es gibt kein Zurück in die scheinbar heile Welt der 1950er Jahre. Die Heimat wird bunter werden und das ist gut so. dpa/nd
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