Bartsch: Rolle als Oppositionsführerin besser ausfüllen
Vizechef der Linksfraktion kritisiert «asozial ungerechte Verteilung» und «irrsinnige Spardiktate» / Fraktion geht für zwei Tage in Klausur / Wagenknecht besteht auf Doppelspitze ab Herbst
Berlin. Kurz vor Beginn einer zweitägigen Klausur plädiert der Linkenpolitiker Dietmar Bartsch dafür, die Linksfraktion im Bundestag solle sich auf Themen konzentrieren, «die nicht nur für unsere bisherigen Wählerinnen und Wähler, sondern für eine Mehrheit der Menschen ganz zentral sind». Der Vizevorsitzende der Fraktion sagte dem «nd» mit Blick auf die Umfragewerte der LINKEN, die Herausforderung bestehe darin, «die Rolle als Oppositionsführerin im Bundestag in einer Situation besser auszufüllen, in der sich eine Große Koalition auf der politischen Bühne so breit gemacht hat, dass dort wichtige gesellschaftspolitische Fragen kaum eine Rolle spielen».
«Unsere Aufgabe heißt jetzt: Opposition»
Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch im Gespräch über die Frage, wo Links wirkt, den Rechtsruck in der Gesellschaft und was zu Rot-Rot-Grün fehlt - das komplette Interview
Nach Ansicht von Bartsch versage die Bundesregierung in allen wichtigen Fragen. Er verwies unter anderem auf die Folgen der «asozial ungerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen» sowie die «grassierende Kinderarmut sowie »die Frage guter Löhne, sicherer Arbeitsplätze, auskömmlicher Renten. Einiges davon hatte die SPD noch in ihrem Wahlprogramm. Und jetzt? Die feiern ihre Schwarze Null, mischen sich in den griechischen Wahlkampf ein, damit die irrsinnigen Spardiktate erhalten bleiben. Aber sinnvolle Vorschläge, auf die nicht bewältigte Eurokrise zu reagieren, etwas gegen die furchtbare Erwerbslosigkeit in Südeuropa, vor allem unter jungen Menschen zu tun, die habe ich von der Bundesregierung nicht gehört«, sagte der Bundestagsabgeordnete.
Die Linksfraktion geht am Montag für zwei Tage in Klausur, um sich ein Jahr nach dem Amtsantritt der Großen Koalition über die Bilanz der eigenen Oppositionsarbeit zu verständigen und Schwerpunkte für die kommenden Monate festzulegen. Bartsch hatte dazu gemeinsam mit der Ko-Vizevorsitzenden Sahra Wagenknecht bereits im vergangenen April ein Papier vorgelegt. Dieses ist inzwischen unter anderem um Fragen der Demokratie in der Gesellschaft und zur Sicherung von Bürgerrechten erweitert worden. Bartsch nannte den »Kampf für gute Arbeit und sichere Arbeitsplätze, für gerechte Umverteilung« als weitere Kernpunkte. »Es wird auch darum gehen, wie eine soziale Energiewende gestaltet wird, hier versagt die Große Koalition völlig. Wir wollen konkrete Schritte zur Einschränkung der Macht von Banken und Finanzmärkten sowie gegen Rüstungsexporte und die Militarisierung der Außenpolitik vorlegen«, sagte der Linkenpolitiker. Bartsch forderte die Linke auch dazu auf, sich stärker »den Herausforderungen der Digitalisierung« zu stellen.
Derweil hat Wagenknecht darauf gepocht, dass ihre Fraktion ab Herbst von einer Doppelspitze geführt wird. Die 45-Jährige erinnerte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur an einen entsprechenden Parteitagsbeschluss aus dem vergangenen Jahr. »Parteitagsbeschlüsse sind auch für eine Fraktion bindend. Ich gehe davon aus, dass wir im Herbst eine Doppelspitze in der Fraktion haben werden«, sagte sie. Sie selbst bekräftigte ihr grundsätzliches Interesse, für einen der beiden Führungsposten zu kandidieren. »Ich würde das nur machen, wenn es eine deutliche Mehrheit in der Fraktion gibt, die das unterstützt«, so Wagenknecht weiter.
Gregor Gysi führt die Fraktion seit 2005 - seit 2009 allein, davor zusammen mit Oskar Lafontaine. Im vergangenen Mai forderte dann der Parteitag - das höchste Parteigremium - die Bundestagsfraktion mehrheitlich dazu auf, noch vor Ende 2014 eine Doppelspitze zu wählen. Diesen Termin ließen die Parlamentarier aber verstreichen, weil die Wahlperiode für den Posten bis Herbst dieses Jahres läuft. Auch Bartsch gilt als aussichtsreicher Kandidat für eine Nachfolgeregelung, er hatte aber zu erkennen gegeben, dass diese Frage derzeit nicht ansteht. Ob der 67-jährige Gysi im Herbst schon aufhören will, ist noch unklar. Auf eine entsprechende Frage antwortete er kürzlich in einem Interview der Wochenzeitung »der Freitag«: »Wie kommen Sie denn auf so was? Ich bin doch topfit! Sie müssen mich noch fast ewig ertragen.« nd/Agenturen
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