Muslime und der Regenwald

Jürgen Amendt über die Legitimierung von Pegida durch Günther Jauchs Medienzirkus

  • Lesedauer: 3 Min.

Wer es zur Talk-Runde von Günther Jauch in der ARD geschafft hat, ist angekommen im Polit-Zirkus der vielgescholtenen »Mainstream«-Medien. Hier wird jeden Sonntag der Ersatz für das inszeniert, was einst öffentlicher Meinungsaustausch genannt wurde. Es geht also nicht um politische Inhalte, sondern darum, diese gut verkaufen zu können - in erster Linie der eigenen Anhängerschaft.

In diesem Sinne hat Kathrin Oertel, Mitorganisatorin der Pegida-Demonstrationen, am vergangenen Sonntag alles richtig gemacht. Im Geschäft der politischen PR nennt man Oertels Auftritt wohl eine »semiprofessionelle Performance«. Die meiste Zeit saß sie steif auf ihrem Stuhl und repetierte Allgemeinplätze: Man habe nicht generell etwas gegen Ausländer und Muslime und sei für mehr direkte Demokratie in Deutschland. Manchmal blitzte sogar ein richtiger rechter Schalk in ihr auf. Als Jauch sie fragte, woher in Dresden die Ablehnung der Muslime komme, obwohl es hier doch weniger Muslime als anderswo in Deutschland gebe, antworte Oertel mit einem Vergleich. Man demonstriere ja auch gegen die Abholzung des Regenwaldes, obwohl es in Deutschland keinen Regenwald gibt.

Dass die Sendung wenig dazu taugen wird, Pegida zu entzaubern, war allerdings schon vorher abzusehen. Das Jauch-Team hatte die Einladung Oertels vorab als Coup gefeiert, schließlich hatten sich die Pegida-Organisatoren bislang Interviews und Medienauftritten verweigert. Wer sich aber derart der öffentlichen Meinungszurschaustellung verschließt, muss damit rechnen, dass erst recht um ihn geworben wird. Dass Kalkül von Pegida ging in dieser Hinsicht auf, zumal der Rest der Talkrunde mit dem CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn, dem SPD-Politiker Wolfgang Thierse und Alexander Gauland von der AfD so ausgewählt wurde, dass kaum die Gefahr zum kontroversen Meinungsstreit bestand. Vertreter von Flüchtlingsinitiativen beispielsweise: Fehlanzeige

Unter den Talk-Gästen war auch der Theologe Frank Richter, der Kathrin Oertel empfahl, den Namen Pegida zu ändern. Irgendwas ohne Patrioten und ohne Islamisierung. Unter dem Blickwinkel der politischen PR betrachtet, ist an Richters Ratschlag für Pegida nichts auszusetzen. Das Problem ist nur: Richter ist kein von Pegida angeheuerter PR-Berater, der das Image der Organisation in der Öffentlichkeit aufhübschen soll. Richter ist Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung.

In ihrer Neujahrsansprache hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Pegida-Leuten Kaltherzigkeit gegenüber Menschen in Not unterstellt. Frank Richter kritisiert das als »kardiologische Ferndiagnose aus Berlin, die uns sagt, was in den Herzen der Menschen bei uns in Dresden los ist«. Auf den Pegida-Demos würde er für solch eine Aussage sicherlich Applaus erhalten.

Kathrin Oertel warnte am Anfang der Sendung vor Parallelgesellschaften, die in Deutschland existieren und die es zu bekämpfen gelte. Die Sorge ist berechtigt. Man kann aber doch schlecht um eine ganze Stadt herum eine Mauer bauen.

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