De Maizière will Privatsphäre abschaffen, um sie zu schützen
Innenminister wendet sich bei IT-Konferenz gegen Verschlüsselung im Internet
Satire darf alles, hört man seit den Anschlägen auf die französosche Zeitschrift Charlie Hebdo immer wieder. Realsatire offenbar auch. Als ein »Ort der Freiheit... und der persönlichen Entfaltung« bezeichnete Innenminister Thomas de Maizière das Internet am Dienstag und forderte zu dessem Schutz, das Ende jeglicher Privatsphäre im Netz.
Der Ort, an dem sich der Innenminister am Dienstag zu der gewagten Dialektik hinreißen ließ, man müsse Grundrechte abschaffen, um sie zu verteidigen, war das »Internationale Forum für Cybersicherheit«. Unter der Schirmherrschaft seines französischen Kollegen Cazeneuve versammeln sich im nordfranzösische Lille Dienstag und Mittwoch Politiker und Experten, um Konsequenzen aus der Anschlagsserie mit 17 Todesopfern zu ziehen.
Eine dieser Konsequenzen forderte de Maizière während seiner Eröffnungsrede: das Ende privater Verschlüsselung. Damit das Internet ein Ort der Freiheit bleibe »und nicht für kriminelle und terroristische Zwecke missbraucht wird, muss das Internet genauso geschützt werden wie unsere übrigen Errungenschaften.« »Viel zu tun« sei in dieser Hinsicht auf deutscher und EU-Ebene. So müssten deutsche Sicherheitsbehörden »befugt und in der Lage sein, verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln oder zu umgehen, wenn dies für ihre Arbeit zum Schutz der Bevölkerung notwendig ist.«
»Züge Orwellschen Neusprechs« attestierte in einer erste Reaktion der Berliner Linke-Chef Klaus Lederer den Äußerungen des Innenministers: »Diese Forderung entspricht in etwa dem Ruf nach einem Verbot, die Wohnungstüren abzuschließen, dem Gebot, Briefsendungen nur noch unverklebt zu versenden – um den Missbrauch dieser Grundrechte auszuschließen.«
Die Forderung, staatlichen Behörden den Zugriff auf sämtliche Kommunikationsinhalte zu ermöglichen und damit Verschlüsselung effektiv abzuschaffen, war wenige Tage nach dem Anschlägen von Paris vom britischen Premierminister David Cameron erhoben worden. Kurz darauf hatte sich US-Präsident Barack Obama ähnlich geäußert.
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