Jobwunder auf Teilzeitbasis

Erwerbstätigenquote in der Bundesrepublik nur europäischer Durchschnitt

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Volkswirt des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts hat die deutsche Erwerbstätigenquote auf Grundlage genauerer EU-Daten korrigiert. Demnach steht Deutschland gar nicht so gut da.

»Rekord auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland«, jubelte die CDU vor wenigen Tagen. Grund für die Freude der Christdemokraten war eine Meldung des Statistischen Bundesamt wonach im wiedervereinigten Deutschland noch nie so viele Menschen einen Arbeitsplatz hatten wie 2014. Im Jahresdurchschnitt hatten 42,6 Millionen Frauen und Männer einen Job - über 370 000 mehr als im Vorjahr. »Die CDU-geführte Bundesregierung setzt den richtigen Rahmen für Arbeit und Beschäftigung in Deutschland«, hieß es weiter in der Pressemeldung aus der Parteizentrale. Doch eine aktuelle Studie des IMK-Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung dürfte die Euphorie etwas dämpfen.

IMK-Volkswirt Sven Schreiber hat sich das deutsche Jobwunder nun genauer angesehen. In kaum einem anderen europäischen Land sind so viele Menschen berufstätig wie in Deutschland, so Schreiber. Immerhin 77 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter hatten im Jahr 2013 einen Job. Im Ranking der Länder mit der höchsten Erwerbstätigkeitsquote liegt die Bundesrepublik damit auf Platz 5. Nur Island, die Schweiz, Schweden und Norwegen standen besser da.

Allerdings hat die Art der Erfassung einen bedeutenden Nachteil: Sie sagt nichts darüber aus, welcher Art von Arbeit die Berufstätigen nachgehen. Jens Schreiber kritisiert diese Unschärfe: »Die nominelle Erwerbstätigenquote beruht auf einer reinen Personenzählung, ohne zwischen Vollzeit- und Teilzeittätigkeiten zu unterscheiden«.

Schneider analysierte deshalb die Daten aus der europäischen Arbeitskräfteerhebung (AKE) der EU-Statistikbehörde Eurostat. Nach Angaben der Behörde ist die AKE »eine einzigartige Informationsquelle für vergleichbare europäische Arbeitsmarktdaten«. Auf Grundlage dieses Materials errechnete Schneider »eine korrigierte Erwerbstätigenquote«, die nicht nur die Zahl der Erwerbstätigen erfasst, sondern auch deren Arbeitszeit. So konnte der Volkswirt Teilzeiteffekte tilgen, indem er die Zahl der Arbeitsstunden auf Vollzeitstellen umrechnete. Und siehe da: Von 77 Prozent sank die Erwerbstätigenquote auf 66 Prozent. Damit rutscht Deutschland europaweit vom 5. auf den 11. Rang.

Schneider macht zwei Gründe für dieses sehr durchschnittliche Abschneiden Deutschlands aus: »Erstens gibt es einen relativ hohen Anteil an Teilzeitarbeit, und zweitens arbeiten die Teilzeittätigen relativ kurz.« Insbesondere die weiblichen Erwerbstätigen seien überdurchschnittlich häufig in Teilzeit beschäftigt, so Schneider. Drei Viertel der Befragten in der AKE hätten angegeben, dass sie entweder keine Vollzeitstelle finden konnten oder aus familiären Gründen weniger arbeiteten. Der Volkswirt sieht »politischen Handlungsbedarf, die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienleben weiter zu verbessern«.

In einer Presseerklärung zu Schneiders Erhebung verweist das IMK auf Daten des Statistischen Bundesamtes, denen zufolge 3,1 Millionen Menschen in Deutschland als »unterbeschäftigt« gelten. Diese sind erwerbstätig, würden aber gern mehr arbeiten. Davon sind 1,7 Millionen Teilzeitbeschäftigte, also überwiegend Frauen. Kommentar Seite 4

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