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Kleines Woodstock in Dresden

Künstler treten gegen Pegida und für eine offene und bunte Gesellschaft auf

  • Michael Bartsch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Vorübergehend schien Pegida Kreide gefressen zu haben, als sogar für das heutige Konzert der Gegenseite geworben wurde. Doch auf der Straße dominiert Systemkampf.

Eine Woche lang meinte man die sanfte Pegida zu vernehmen. Ex-Vereinschef Bachmann und Sprecherin Kathrin Oertel bekamen in der Landeszentrale für Politische Bildung am Montag Gelegenheit zu einer Präsentation vor der »Lügenpresse«. Kein Tag verging, an dem nicht der öffentliche Kummerkasten für besorgte und verängstigte Bürger geöffnet war. Dann verblüffte Pegida mit einer Mitteilung, in der auf das heutige Solidaritätskonzert vor der Frauenkirche Rücksicht genommen wird. Der »Abendspaziergang« wurde auf Sonntagnachmittag vorverlegt, damit sich Anhänger »dieses kostenlose kulturelle Großerlebnis nicht entgehen lassen müssen«. Man wolle sich dem Motto »offen und bunt« nicht verschließen, hieß es.

In der Tat hatte Initiator und Medizinprofessor Gerhard Ehninger vom Uniklinikum »alle Menschen guten Willens« offensiv eingeladen. Dresden soll heute am Neumarkt so etwas wie ein winterliches Woodstock erleben. Rund 250 Künstler werden unter dem Motto »offen und bunt« ohne Gage auftreten, darunter Herbert Grönemeyer, Jan Josef Liefers oder Bands wie »Keimzeit« und »Silly«. Der veranstaltende Verein »Dresden - Place to be« hofft auf 30 000 Besucher. Die Organisationskosten werden über Spenden finanziert.

Die Idee für ein großes Solidaritätskonzert entstand im Verein um die Jahreswende. Die Mitglieder betreuen sonst mit persönlichen Patenschaften ausländische Beschäftigte, Wissenschaftler oder Studenten, die nach Dresden kommen. Mit dem festivalartigen Auftritt wolle man genau die künstlerische und kulturvolle Seite zeigen, für die Dresdens Ruf eigentlich steht, erklärte Ehninger. »Wir zeigen trotz des bösen Spiels gute Laune«, ergänzt Michal Tomaszewski von der populären Dresdner Brass-Band »Banda communale«.

In kürzester Zeit hätten viele Stars zugesagt, berichtet die Dramaturgin Luise Mundhenke, die den Ablauf koordiniert. Zwischen die Auftritte werden an Stelle von Reden Videobotschaften von toleranten Dresdnern, aber auch von eingeschüchterten Flüchtlingen eingespielt. »Es wird Zeit, dass wir nicht nur über Pegida-Ängste, sondern auch über Ängste vor Pegida und über die der Asylbewerber reden«, hatte Dieter Jaenicke geäußert, künstlerischer Leiter am Festspielhaus Hellerau.

Als auf der Sonntagskundgebung von Pegida auf dem Theaterplatz Kathrin Oertel ausrief, dem Konzert würden wohl auch viele Pegida-Anhänger lauschen, erntete sie nur ablehnendes Gegrummel. Dem hatte sie in ihrer Rede selbst mit einer Kehrtwende Vorschub geleistet. Sie unterstellte, die Organisatoren würden »mit Geld um sich werfen, um Stars nach Dresden zu holen, nur damit endlich die ersehnte Schlagzeile kommt: Pegida verliert auch in Dresden im direkten Vergleich!«. Und aus den »lieben Medienvertretern« am Montag wurden wieder die »Presselügner«. Viel Beifall erhielt die Erwähnung Frank Richters, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, weil er Pegida endlich zu Wort kommen ließ. Richter hatte sich am Donnerstag allerdings auch viel Kritik in einer kontroversen Diskussion über die Pegida-Pressekonferenz in seinem Haus anhören müssen.

Unbeirrt setzt er indessen Gesprächsangebote mit Pegida-Anhängern und Mitläufern fort. »Warum (nicht) zu Pegida gehen?«, war am Freitag zum zweiten Mal ein Fishbowl überschrieben, der diesmal im großen Rahmen des Dresdner Stadtmuseums stattfand. Als Privatmann, wie er betonte, saß auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) in einer hinteren Reihe. Aus erster Hand vernahm er Äußerungen zu Politik- und Demokratieverdrossenheit, Sympathiebekundungen für den kriminellen Ex-Pegida-Chef Bachmann, Überfremdungsängste, Zweifel am Vorrang von Freiheit gegenüber Sicherheit oder offene Ostalgie, etwa das Eingabewesen betreffend. Gabriel differenzierte anschließend zwischen den Pegida-Organisatoren und den besorgten Demonstranten.

Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld zeigte viel Pegida-Sympathie und wollte sich von Politik und Medien nicht mundtot machen lassen. Sie bedauerte, dass die CDU »den Platz rechts geräumt hat«.

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