»Als ich das WWF-Programm sah …

Kathrin Gerlof über das Weltwirtschaftsforum in Davos und das reichste Prozent der Menschheit

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 3 Min.

… wusste ich, dass ich diese Simulation unbedingt besuchen will.« Seltsamerweise meinte der Schweizer Multimillionär Hansjörg Wyss damit nicht das Weltwirtschaftsforum im luxuriösen Davos selbst, sondern eine seiner Veranstaltungen am Rande, die den Teilnehmenden mal für kurze Zeit ein angenehmes Gruseln verschaffen sollte. »Struggle for Survival« - bei diesem filmreifen Überlebenstraining klebten Männer in teuren Anzügen und Frauen in schönen Kostümen Tüten aus Zeitungspapier, die sie dann für ein paar Cent verkaufen sollten. Auf den Knien taten sie das und das war hart, auch wenn das abendliche Dinner mit gutem Essen, prickelnden Getränken und Anbahnungsgesprächen in Aussicht stand. So konnten sie mal live dem Gefühl nachspüren, eine arme Sau zu sein. Da schmecken die Häppchen hinterher doppelt so gut.

Das war ein grandioser Einfall und es hat bestimmt Spaß gemacht, mal für ein kurzes Weilchen im Dreck zu liegen. Wyss hat um Essen gebettelt, seine Uhr verkauft, er hat sich anschreien und erniedrigen lassen. Mutiger Mann. Andere machen so was ihr ganzes Leben lang - aber unter uns, die haben es wahrscheinlich auch verdient.

Davos und das alljährliche Weltwirtschaftsforum ist so ziemlich die teuerste Schwatzbude, die es gibt. Da treffen sich all jene, die dafür sorgen, dass bald ein Prozent der Weltbevölkerung mehr Kohle haben wird als die restlichen 99 Prozent zusammen. 2500 Kapazitäten aus Wirtschaft, Finanzwesen und Politik waren es in diesem Jahr (darunter einige Ausnahmen und Alibifiguren, wie Winnie Byanyiama, die Exekutivdirektorin von Oxfam, der wir diese Ein-Prozent-Studie zu verdanken haben).

Man wünscht sich, dass eines dieser tollen NSA-Spionageprogramme - zum Beispiel das mit dem schönen Namen »Quantumdirk« - mal alles ausspioniert, was am Rande einer solchen Veranstaltung ausgedealt wird, und dann ins Netz gestellt hätte. Oder wenigstens die kritische Infrastruktur in Davos lahmgelegt: Energie, Kommunikation, Champagner und - ganz wichtig - Transport. Denn immerhin gab es über Zürich mehr als 1100 Flugbewegungen, darunter zahlreiche Helikopterflüge, mit denen die »Exponenten« (»Neue Zürcher Zeitung«) aus Politik und Wirtschaft nach Davos gekommen waren.

Die Partei DIE PARTEI hatte ja bei den letzten Bundestagswahlen auf einem ihrer Plakate versprochen, die 100 reichsten Deutschen erschießen zu lassen, würde sie an die Macht gewählt. Die Autorin ist - schon gar nicht in diesen Tagen - keine Verfechterin solch gewalttätiger Maßnahmen. Aber einen kleinen Noro-Virus, eine Salmonellenvergiftung oder besser noch eine Mumps-Epidemie (weil 82 Prozent der Teilnehmenden Männer waren, und bei denen geht Mumps ja gleich ans Eingemachte), das wäre ein bisschen lustig gewesen. Vor allem aber hätte nichts von großer Wichtigkeit ausgekungelt werden können, denn man muss schon Angst davor haben, wenn so viele Welterklärer und -zerstörer zusammenhocken und Pläne machen. Da mag die nebulöse Frau Merkel noch das kleinere Übel sein.

In den Medien heißen die Leute übrigens Topmanager und Spitzenpolitiker. Nun ja, man könnte über so vieles streiten. Jedenfalls wird bereits lange im Vorfeld solcher Ereignisse hart daran gearbeitet, dass die Top- und Spitzenmenschen auf Linie bleiben. Von März 2013 bis März 2014 haben Finanz- und Versicherungskonzerne 550 Millionen Dollar für Lobbyarbeit in Washington und Brüssel ausgegeben. Die kleben keine Tüten, die Jungs, die machen Nägel mit Köpfen.

In Davos ging es um den »Neuen globalen Kontext«. Was sagt uns das? Nichts. Soll es ja auch nicht, denn es drehte sich dort schließlich nicht um uns. Es drehte sich um das eine Prozent mit dem vielen Geld und natürlich um Wachstum. Um das zu bereden, dafür ist so ein Luxusskiort (das Wort sieht irgendwie komisch aus) schon der beste aller Plätze.

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