Kontrolle anstatt Schutz

Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenbund über das Eckpunktepapier zum Prostituiertenschutz

  • Lesedauer: 3 Min.
In dieser Woche verabschiedete das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf zum Schutz vor Menschenhandel - auf EU-Druck. Ein Gesetz zum Schutz von Prostituierten wurde dagegen erst einmal verschoben - Kritik an den Entwürfen wird dennoch laut.

Das Kabinett verabschiedete in dieser Woche unter dem Druck eines möglichen EU-Vertragsverfahrens einen Gesetzesentwurf zum Schutz vor Menschenhandel. Die Debatte um das Gesetz zum Schutz von Prostituierten wurde verschoben. Sie haben immer gefordert, beides streng zu trennen. Was ist an der Vermischung der Themen aus juristischer Sicht problematisch?
Einerseits geht es um Prostitution als legale Berufsausübung, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich in den Kontext von Artikel 12 Grundgesetz, Berufsfreiheit, gestellt hat. Eine Kriminalisierung der Prostitution mit dem Ziel, den Menschenhandel zu bekämpfen, steht dem entgegen und verschlechtert die Situation derjenigen, die in dem Beruf aus freien Stücken arbeiten. Deshalb muss man bei all diesen Vorschlägen schauen, was ist das Regelungsziel und wie wirkt das Recht? Es gibt viele Instrumente zur Bekämpfung von Menschenhandel: Veränderung des Strafgesetzbuches, um den Tatbestand konkreter zu fassen, bessere Aufenthaltsrechte für die Opfer. Mit der Regulierung der Prostitution den Menschenhandel einzudämmen, das funktioniert in vielen Fällen nicht.

Der Entwurf zum Prostituiertenschutzgesetz war hart umkämpft in der Koalition. In Kürze soll er weiter diskutiert werden. Ein Bündnis aus verschiedenen Organisationen hat sich in einem Offenen Brief an die Politik gewandt. Was sind Ihre Kritikpunkte?
Es gibt drei Vorschläge, die wir ablehnen, weil sie sich gegen die Prostituierten richten: die individuelle Anmeldepflicht, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen und das Mindestalter von 21 Jahren für Prostituierte. Der Juristinnenbund kritisiert auch die Forderung nach einer bundesweiten Kondompflicht. Letzteres ist kaum durchsetzbar und birgt die Gefahr, dass die Sanktionen in erster Linie die Prostituierten und nicht ihre Kunden treffen. Und mit keiner dieser Maßnahmen kann man den Menschenhandel bekämpfen.

Maria Wersig

Maria Wersig, ist im Deutschen Juristinnenbund (djb) Vorsitzende der Kommission »Recht der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich«. Die Juristin beschäftigt sich wissenschaftlich mit Geschlechterverhältnissen im Zusammenspiel von Recht und Gesellschaft. Haidy Damm sprach mit ihr über das Eckpunktepapier zum Prostituiertenschutzgesetz.

Sie kritisieren die Anmeldepflicht auch aus datenschutzrechtlichen Gründen...
Daten, die mit der Sexualität eines Menschen zu tun haben, sind besonders zu schützen. Die Anforderungen an die Ausgestaltung einer solchen Regelung sind hoch. Eine Anmeldekartei verletzt unserer Meinung nach das Persönlichkeitsrecht, ohne dass ein Mehrwert erkennbar wäre. Außerdem besteht die Gefahr der Stigmatisierung, wenn Prostituierte sich neben dem Finanzamt und ihrer Krankenversicherung auch noch bei der Polizei oder den Gewerbeämtern anmelden müssen. Hier geht es nicht um Schutz, sondern um Kontrolle.

Bei den verpflichtenden Gesundheitsuntersuchungen argumentieren Befürworter auch mit dem Schutz der Prostituierten. Was setzen Sie dem entgegen?
Der Schutz wird durch eine Zwangsmaßnahme nicht erhöht. Die Praxis in den Gesundheitsämtern hat viel erreicht mit anonymer und niedrigschwelliger Beratung. Darauf sollte man weiter setzen. Hinzu kommt, dass die Pflichtuntersuchungen sogar noch als Freibrief für Sex ohne Kondom gedeutet werden könnten.

Das Ziel der Reform von 2001 war es, die Prostitution zu normalisieren. Wenn ich den Berufsstand mit anderen gleichsetzen will, warum sind dann die beabsichtigten Untersuchungen des Gesundheitszustandes problematisch? Schließlich gibt es sie in anderen Bereichen auch, in denen Menschen mit Menschen arbeiten.
Es gibt für keine Berufsgruppe in Deutschland derzeit gesundheitliche Pflichtuntersuchungen. Das wurde mit guten Gründen mit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001 aufgegeben. Es gibt zwar für ErzieherInnen oder LehrerInnen Meldepflichten, für den Fall einer aktuellen Infektion mit einer Krankheit wie Masern. Meldepflichten sind aber nicht zu verwechseln mit Pflichtuntersuchungen.

Sie fordern ein Prostitutionsstättengesetz. Welche Vorteile hätte das?
Im Prostitutionsgesetz von 2002 war das Gewerberecht ausgespart, weil es dafür keine Mehrheit im Bundesrat gab. Aber es gab die Hoffnung, dass die Zielsetzung automatisch in das Gewerberecht übertragen wird. Das ist nicht passiert. Wir haben bundesweit einen Flickenteppich an Regelungen. Es gibt Bundesländer, in denen kann man bis heute kein Bordell anmelden. Mit einem Sondergesetz innerhalb des Gewerberechtes kann das Ziel der Reform, die Prostitution in die Normalität zu überführen, nachgebessert werden. Diesen Ansatz verfolgt auch das Eckpunktepapier des Bundesfrauenministeriums, das begrüßen wir.

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