Wie sicher sind die Zwischenlager?
Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes wachsen die Zweifel
Eigentlich soll die Kommission »Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe« die Vorrausetzungen für die bundesweite Suche nach einem atomaren Endlager schaffen. Doch am Montag musste sich das 33-köpfige Gremium auf seiner Sitzung in Berlin mit der Sicherheitslage in den atomaren Zwischenlagern befassen. Man wolle wissen, so Kommissionschefin Ursula Heinen-Esser, wie sich die Situation tatsächlich darstelle. Anlass war ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach die Genehmigung für das atomare Zwischenlager Brunsbüttel in Schleswig-Holstein rechtswidrig ist. Damit bestätigten die Leipziger Richter eine Entscheidung des Oberwaltungsgerichtes Schleswig. Auslöser für dieses »kleine Erdbeben«, wie Schleswig-Holsteins Energieminister Robert Habeck (Grüne) sagte, war die Klage eines Anwohners des Zwischenlagers. Der Kläger hatte argumentiert, dass die Sicherheit des Castorlagers nicht nachgewiesen sei. Niemand wisse, ob die Behälter mit dem strahlenden Müll den zielgerichteten Absturz eines Passagierflugzeugs oder den Beschuss mit panzerbrechenden Waffen überstehen würden.
In der Tat wissen nur die Mitarbeiter in den zuständigen Behörden und bei den Betreibern, wie sicher die bundesweit zwölf Zwischenlager wirklich sind. Weil die entsprechenden Dokumente unter den Geheimschutz fallen, durften das Bundesamt für Strahlenschutz und der Energiekonzern Vattenfall diese dem Gericht nicht vorlegen. Somit konnten die Richter nicht prüfen, ob die Anlagen in Brunsbüttel ausreichend geschützt sind.
Staatssekretär Jochen Flasbarth vom Bundesumweltministerium versuchte am Montag alle Zweifel an einer Sicherheit der Lager zu zerstreuen. Das Oberverwaltungsgericht habe keine Sicherheitsdefizite feststellen können, sondern aufgrund der fehlenden Unterlagen lediglich »Bewertungsdefizite« konstatiert. Die Pflicht zur Geheimhaltung sei »sehr misslich«, so Flasbarth. Zusammen mit Bundesinnenministerium und Justizressort prüfe man derzeit Lösungen, die »zur Klärung derartiger Sachverhalte beitragen« können. Sprich: Die Geheimhaltung soll etwas gelockert werden. Wann dies geschehen soll, konnte Flasbarth nicht sagen. Der Staatssekretär betonte aber im Namen seines Ministeriums: »Wir sind der Auffassung, dass die Zwischenlager sicher sind.« Auch Schleswig-Holsteins Energieminister Habeck sah keine Sicherheitsmängel.
Widerspruch kam von Klaus Brunsmeier, dem Vizechef der Umweltorganisation BUND. Das Urteil sei eine »Zäsur«. Die Richter hätten in ihrer Entscheidung deutlich gemacht, »dass es inhaltliche Gründe« für den Entzug der Betriebserlaubnis gegeben habe. Auch für Atomkraftwerke fehle der Nachweis, »dass der erforderliche Schutz gegen Terrorangriffe vorhanden ist«.
Für den BUND ist die Sache klar: Da alle Standort-Zwischenlager »im gleichen Zeitraum geplant, genehmigt und gebaut wurden«, sei davon auszugehen, dass die vom Gericht festgestellten »Ermittlungsdefizite« bei allen Zwischenlagern gelten. So kritisiert die Umweltschutzorganisation Greenpeace, dass die süddeutschen Lager in Leichtbauweise errichtet wurden, also »mit Wandstärken und Decken von deutlich unter einem Meter«. Einen Flugzeugabsturz könnten diese Hallen wohl nicht überstehen.
Ohnehin ist der Begriff Zwischenlager missverständlich. Die standortnahen Lager haben eine Genehmigung für 40 Jahre, die ab Einlagerung des ersten Behälters gilt. Selbst das wird nicht ausreichen, weil nach Ablauf dieser Frist immer noch kein Endlager steht, glaubt nicht nur der BUND. Selbst der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz äußerte öffentlich Zweifel, ob das Endlager bis 2050 in Betrieb gehen wird.
Der Bürgermeister von Neckarwestheim, einem Zwischenlagerstandort, äußerte am Montag stellvertretend für alle betroffenen Gemeinden die Befürchtung, dass aus den Zwischenlagern de facto Endlager werden.
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