Edathy-Affäre: Hartmann will nicht aussagen
Edathys Anwalt: Hartmann hat vorab über die Ermittlungen informiert / SPD-Fraktionschef Oppermann gerät ins Visier
Berlin. Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann, der am Donnerstag in der Affäre um den Ex-Parlamentarier Sebastian Edathy im Untersuchungsausschuss des Bundestages als Zeuge auftreten sollte, will seine Aussage verweigern. Das teilten die Anwälte des Sozialdemokraten mit. Hartmann war zuvor schwer unter Druck geraten. Nach mehreren Zeugen sagte am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestages auch Edathys Anwalt, Christian Noll, dass sein Mandant von Hartmann vorab über die Kinderpornografie-Ermittlungen informiert worden sei. Hartmann bestreitet dies. Die Opposition hatte Hartmann eindringlich aufgeforder, die Wahrheit zu sagen und seine Angaben zu korrigieren.
Hartmann berufe sich »auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht«, heißt es in dem Schreiben der Anwälte des SPD-Politikers. Er werde sich gegen die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe, »er habe Strafe vereitelt, gegenüber den Strafverfolgungsbehörden verteidigen«.
Edathy hatte vor einem Jahr sein SPD-Bundestagsmandat niedergelegt. Kurz danach waren Kinderpornografie-Vorwürfe gegen ihn ans Licht gekommen. Der SPD-Politiker soll entsprechendes Material gekauft haben und muss sich wegen dieses Verdachts bald vor Gericht verantworten. Der Ausschuss geht unter anderem der Frage nach, ob Edathy vorab vor den Ermittlungen gegen ihn gewarnt wurde.
Der SPD-Politiker hatte anfangs bestritten, dass es einen Tippgeber gab. Bei seiner Aussage vor dem Ausschuss im Dezember hatte Edathy dann aber seinen Parteikollegen Hartmann als Informanten genannt. Auch mehrere andere Zeugen hatten Edathys Version der Geschichte vor dem Ausschuss bestätigt.
Edathy hatte seinen Anwalt von der Schweigepflicht entbunden und ihn ausdrücklich als Zeugen für den Ausschuss empfohlen. Noll sagte nun, der Politiker habe ihn Ende November 2013 erstmals kontaktiert und bereits in diesem Gespräch Hartmann als Tippgeber genannt. In einem weiteren Gespräch im Dezember habe Edathy gesagt, er wisse nun, von wem Hartmann über die drohenden Ermittlungen erfahren habe - nämlich vom damaligen Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke.
Der Anwalt erklärte, Ende Januar 2014 habe ihm Edathy eine SMS geschrieben. Darin schrieb sein Mandant, er habe von »H« gehört, dieser wisse von »Z«, dass es »jetzt ernst« werde. Wenige Tage später legte Edathy sein Mandat nieder, kurz darauf wurden seine Büroräume und seine Wohnung durchsucht. Mit »Z« sollte Ziercke gemeint sein. Der frühere BKA-Chef hatte bereits vor dem Ausschuss ausgesagt, dort aber jede Informationsweitergabe in dem Fall bestritten.
Noll sagte, die Informationen in Edathys Angelegenheit hätten sich weit verbreitet. Schon im November 2013 habe Edathy gesagt, die Spitze des Innenministeriums - der damalige Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) und Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche - sowie die SPD-Spitze - Parteichef Sigmar Gabriel, der damalige Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann - wüssten Bescheid. Im Januar 2014 habe Edathy dann berichtet, inzwischen seien die Informationen von der SPD-Spitze aus weiter geflossen. Oppermann etwa habe seinen Büroleiter eingeweiht. Edathy habe sich gefragt, wem Oppermann es eigentlich nicht erzählt habe.
Die Opposition bezichtigte Hartmann offen der Lüge. Mehrere Zeugen hätten Hartmanns Darstellungen widersprochen, dessen Äußerungen seien daher nicht glaubhaft, sagte die Grünen-Obfrau Irene Mihalic. Er stehe mit seiner Aussage inzwischen alleine da. Der Linke-Obmann Frank Tempel warf Hartmann vor, er habe mit seiner Falschaussage großen Schaden angerichtet und Vertrauen in die Politik verspielt. Angesichts dessen dürfe er sein Bundestagsmandat nicht behalten. dpa/nd
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