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Christenkreuz mit Hakenkreuz

Der Antisemitismus der sächsischen Landeskirche in der NS-Zeit

  • Hansjörg Buss
  • Lesedauer: 4 Min.

»Die Kirche und die Pfarrer, die die Entschlossenheit nicht aufbrächten, von sich aus Juden aus der Kirche zu weisen, würden sich der Verachtung der Volksgenossen preisgeben und als Freunde der Volksschädlinge leicht gebrandmarkt werden. Dies muss von vorneherein vermieden werden.« Mit diesen Worten unterstrich Johannes Klotsche, Präsident der sächsischen Landeskirche, seine Forderung, an allen Kirchen Verbotstafeln mit der Aufschrift »Juden haben keinen Zutritt!« anzubringen. Anlass für diesen Vorstoß war, dass Ende Oktober 1941, nach Inkrafttreten der Kennzeichnungspflicht für »Nichtarier« mit dem gelben Stern, eine Christin jüdischer Herkunft und »Sternträgerin« in Dresden an einer kirchlichen Veranstaltung teilgenommen hatte.

Klotsche, ein gebürtiger Leipziger, NSDAP-Mitglied seit 1925 und damit Träger des Goldenen Parteiabzeichens, war 1933 von dem nationalsozialistischen Landesbischof Friedrich Coch ins Landeskirchenamt geholt worden. Im Spätsommer 1937 stieg der Jurist zur zentralen Figur innerhalb der Landeskirche auf, zu deren alleinigem Leiter er zum Jahresende auch formell ernannt wurde. Klotsche stand dem radikal völkischen Flügel der Deutschen Christen nah. Die »Ausscheidung alles Jüdischen« war sein Hauptanliegen. So nutzte er das Novemberpogrom von 1938, um den Vorstand der Dresdner Zionsgemeinde per Eilbeschluss zur Umbenennung der Kirche zu drängen; in diesem Falle erfolglos. Es häuften sich die Angriffe auf jüdische, alttestamentarische oder »wesensfremde« Namen und Symbole. Auch die sächsischen Deutschen Christen warben für »artgemäße«, das »deutsche Rassegefühl« nicht verletzende Gottesfeiern anstelle von »Halleluja-Gottesdiensten«.

Am 30. Januar 1939 kündigte Hitler in der Berliner Krolloper für den Kriegsfall die »Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa« an. Die Radikalisierung der staatlichen Politik veränderte auch die Tonlage innerhalb der Kirche. Noch im Februar 1939 beschlossen fünf deutschchristlich geführte Landeskirchen, darunter die sächsische, keine Juden mehr aufzunehmen. Von bereits konvertierten Juden wurde keine Kirchensteuer mehr erhoben, kirchliche Räume und Einrichtungen durften sie nicht mehr nutzen. Anfang April erklärten elf deutsch-christliche Kirchenleiter, unter ihnen Klotsche, den christlichen Glauben als »unüberbrückbaren Gegensatz zum Judentum« und kündigten die Gründung eines kirchlichen »Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben« an. Schon am 6. Mai wurde dieses auf der Wartburg feierlich eröffnet. Wissenschaftlicher Leiter wurde Walter Grundmann, 1933 bis 1935 Oberkirchenrat in Dresden und Schriftleiter der von Landesbischof Coch verantworteten Zeitschrift »Christenkreuz und Hakenkreuz« sowie seit 1938 Professor in Jena. Die Arbeit des Instituts beruhe, so Grundmann, auf der Überzeugung, dass »der jüdische Einfluß auf allen Gebieten des deutschen Lebens, also auch auf dem kirchlich-religiösen entlarvt und gebrochen werden muss«. Bei der Vorstellung der wohl bedeutendsten Institutsarbeit, des »entjudeten« Gesangbuchs »Großer Gott wir loben dich«, am 13. Juni 1941 hieß es: »Denn ein Volk, daß die endgültige Lösung der Judenfrage um seiner Zukunft willen in die Hand genommen, kann ... Rückstände judenchristlichen Geistes ... unter keinen Umständen mehr ertragen.«

Wenige Wochen nach dem Beginn der Deportationen unterzeichnete Klotsche als einer von sieben deutsch-christlichen Landeskirchenleitern eine Bekanntmachung, in der unter Bezugnahme auf Martin Luther gefordert wurde, »schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen und sie aus deutschen Landen auszuweisen«. Fünf Tage später wurden die evangelischen Landeskirchen angehalten, die verbliebenen »getauften Nichtarier« aus der kirchlichen Gemeinschaft auszuschließen. Laut dem Kirchenhistoriker Karl Kupisch gibt es kein »grausameres und von zutiefst unchristlicher Denkweise zeugendes« kirchliches Dokument als dieses Rundschreiben. Offiziell trennte sich die sächsische Landeskirche am 28. Dezember 1941 von ihren »nichtarischen« Mitgliedern.

Am 18. April 1948 verabschiedete die sächsische Landessynode eine Erklärung, in der die kirchliche Mitschuld an Ausgrenzung, Verfolgung und letztendlich der Vernichtung der Juden im Vergleich zu den Stellungnahmen anderer Landeskirchen konkret angesprochen wurde: »Es wäre aber zu billig, die Verantwortung dafür auf die damaligen Machthaber ... abzuschieben.« Schuldig geworden seien sowohl die Kirchenleitung als auch all diejenigen, die »Rassenhass« gehegt oder doch zu wenig Widerstand geleistet hätten.

Johannes Klotsche konnte sich dennoch weiter kirchlich engagieren, wenn auch in unbedeutenden Positionen. Ermöglicht hatte ihm dies auch der erste sächsische Nachkriegsbischof Hugo Hahn, als Führungsfigur der innerkirchlichen Opposition 1938, während Klotsches Präsidentschaft, des Landes verwiesen; nun bescheinigte er jenem jedoch eine »starke innere Wandlung«. Auch Walter Grundmann konnte seine Karriere nach kurzer Unterbrechung fortsetzen. Die neutestamentlichen Kommentare des einstigen »Chefideologe« der sächsischen Deutschen Christen gehörten lange Zeit in Ost und West zur Ausbildung der Pfarrer.

Zur Debatte »Mit Luther und Hitler für Glauben und Volkstum« lädt die Rosa-Luxemburg-Stiftung am 11. Februar, 19 Uhr, Franz-Mehring-Platz 1 in Berlin ein.

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