Der gordische Knoten
Griechenlands Wirtschaft wetteifert mit Schwellenländern - doch die produzieren billiger
Die griechische Wirtschaft ist trotz drastischer Lohnsenkungen derzeit nicht konkurrenzfähig. Zu diesem Schluss kommt das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) in einer kürzlich veröffentlichten Studie. »Griechenland hat kein Konjunkturproblem, sondern eine Strukturkrise«, sagt Klaus Schrader, einer der Autoren der Studie, gegenüber »nd«. Die griechische Industrie stehe im Wettbewerb mit Schwellen- und Entwicklungsländern und die könnten oft günstiger produzieren, so der stellvertretende Leiter des Zentrums Wirtschaftspolitik am IfW.
Die Nummer eins der Warenexporte sind Erdölprodukte. Den Rohstoff muss das Land aber erst importieren. Obst, Früchte und Fisch stehen auf Rang zwei. Sie werden meist in »unveredelter« Form verkauft. Wegen der Konkurrenz von Großplantagen und Aquakulturen in Asien und Osteuropa sind die Gewinne minimal. Klassiker wie Schafskäse oder Olivenöl gehen oft als preiswerter Rohstoff nach Italien, bevor sie abgefüllt, verpackt und in deutschen Supermärkten als »hergestellt in Italien« teuer verkauft werden.
»Bei High-Tech-Produkten ›made in Greece‹ herrscht derzeit weitgehend Fehlanzeige«, sagt Schrader. Mittlerweile hätten selbst einige Länder aus Asien und Osteuropa Griechenland beim technologischen Know-how überholt, kritisiert der IfW-Ökonom.
Dienstleistungen wie der Tourismus stellten kein Allheilmittel dar. Zwar kamen zuletzt mehr Gäste aus dem Ausland und sorgten so für Arbeitsplätze. »Doch gerade hier sind traditionell kaum höherwertige Qualifikationen erforderlich«, mahnt Schrader, »die Bezahlung ist auf niedrigem Niveau.« Auch die andere wichtige Dienstleistungsbranche wird das Ruder nicht herumreißen: Griechische Reeder unterhalten die zweitgrößte Handelsflotte der Welt mit einem Marktanteil von über 13 Prozent, doch die Schiffe sind ausgeflaggt, die Holdings in Steueroasen angesiedelt und an Land wird nur eine geringe Zahl an Arbeitskräften benötigt.
Ein Schuldenschnitt reiche nicht aus, um die Wirtschaft wieder flott zu machen, mahnen die IfW-Forscher. »Als verhältnismäßig kleine Volkswirtschaft mit kleinen Absatzmärkten muss das Land sehr viel mehr exportieren, um wirtschaftlich zu wachsen.« Vergleichbare Länder wie Irland, Slowenien oder Ungarn exportieren Waren und Dienstleistungen in Höhe von 100 Prozent der Wirtschaftsleistung - Griechenland von 30 Prozent. Als »Weichenstellung« schlägt Schrader weitere Liberalisierungen der Arbeitsmärkte und des Dienstleistungsbereiches vor. Auch dann sei es »ein langer Weg« heraus aus der Strukturkrise.
Angesichts dieses finsteren Szenarios ist auch das Ende der jahrelangen Rezession - für 2015 wird ein Wachstum von 1,4 Prozent erwartet - viel zu wenig. Die neue Regierung setzt auf stabilere Rahmenbedingungen (Steuern, Korruptionsbekämpfung), auch um private Investoren anzuziehen, und auf die Ankurbelung der Binnennachfrage durch ein Konjunkturprogramm.
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