Billiges Benzin statt höhere Löhne

Verbaler Schlagabtausch beim Auftakt zur Tarifrunde für die Länderbediensteten

  • Jörn Boewe
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Gewerkschaften möchten den Lohnabstand der öffentlich Bediensteten gegenüber den Beschäftigten in der Privatwirtschaft verkleinern. Für »realitätsfern« halten dies die Arbeitgeber.

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder haben am Montag in Berlin begonnen. Die Gewerkschaft ver.di und der Deutsche Beamtenbund (dbb) fordern für ihre Mitglieder 5,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 175 Euro. Formal wird für die rund 800 000 Angestellten im Landesdienst verhandelt, tatsächlich geht es um mehr: Die Gewerkschaften verlangen die Übertragung des Ergebnisses auf die 1,2 Millionen Beamten und rund 700 000 Versorgungsempfänger. Nicht verhandelt wird für das Land Hessen, das der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) seit 2004 nicht mehr angehört.

Vor dem Start der Verhandlungen hatte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske ein deutliches Gehaltsplus für die Beschäftigten gefordert. »Noch immer liegen die Tarifgehälter im öffentlichen Dienst der Länder hinter der Tarifentwicklung in der Gesamtwirtschaft zurück. Diesen Abstand wollen wir verkleinern«, sagte er der Zeitung »Sonntag aktuell«.

Die ver.di-Bundestarifkommission hatte im Dezember 2014 ihre Forderungen beschlossen. Neben der Entgelterhöhung verlangt sie eine Übernahmegarantie für Auszubildende, eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 100 Euro und 30 statt bisher 27 Tage Urlaub im Jahr. Sachgrundlose Befristungen sollen künftig im Tarifvertrag ausgeschlossen werden. Zudem lehnt die Gewerkschaft jeden Eingriff in die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ab.

»Die Gehälter der Länderbeschäftigten liegen noch immer um mehr als zwei Prozentpunkte hinter dem Durchschnitt der Tarifentwicklung in der Gesamtwirtschaft zurück«, betonte Bsirske in der »Badischen Zeitung« (Montagausgabe). Lohnerhöhungen aus den aktuellen Tarifrunden der Metall- und Chemieindustrie seien dabei noch gar nicht berücksichtigt. Zudem rechneten die Länder in den nächsten Jahren mit deutlichen Steuermehreinnahmen, von denen auch die Beschäftigten profitieren müssten, so Bsirske.

Die Bundesländer wiesen die Gewerkschaftsforderungen zurück. Der Wunsch nach einer Entgelterhöhung von 5,5 Prozent sei »realitätsfern« und »überzogen«, sagte der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder, Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), zum Auftakt der Verhandlungen. Er verwies zugleich auf die niedrige Inflationsrate. Wenn Gewerkschaften in Zeiten höherer Inflation einen Ausgleich für steigende Lebenshaltungskosten forderten, dürften sie auch umgekehrt eine sehr geringe Teuerung nicht ignorieren, hatte er der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« gesagt. Derzeit profitierten die Beschäftigten spürbar durch billiges Benzin. »Schon vor diesem Hintergrund können wir die Tarifforderungen so nicht akzeptieren«, so Bullerjahn. Er hatte die Gewerkschaften im Vorfeld der Tarifrunde unter Hinweis auf die Schuldenbremse zur Mäßigung aufgerufen.

Die Gewerkschaften bekräftigten indes ihre Position. Zwar sei es noch zu früh, mit Streiks zu drohen, sagte Bsirske, aber: »Wenn es am Verhandlungstisch stockt, gehe ich davon aus, dass die Beschäftigten bereit und in der Lage sind, Flagge zu zeigen.« Willi Russ, Verhandlungsführer des dbb, forderte die TdL auf, zeitnah ein verhandlungsfähiges Angebot auf den Tisch zu legen. »Wir haben keine Zeit zu verlieren und sollten unverzüglich an die Arbeit gehen.« Bis Mitte März sind zunächst zwei weitere Verhandlungstermine angesetzt. Die Forderung der Gewerkschaften würde die Länder rund sechs Milliarden Euro kosten.

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