Das 19-Milliarden-Selfie
Kurt Stenger über die Bewertung des App-Anbieters Snapchat
Als die klitzekleine, junge Internetfirma Snapchat Inc. 2013 ein Drei-Milliarden-Dollar-Übernahmeangebot von Facebook ausschlug, chattete sich die Netzgemeinde die Finger wund: Waren die Gründer, drei Stanford-Studenten, blöd? Oder clever, weil sich die Smartphone-App auch finanziell von der Datenkrake abgrenzte? Zweites stellte sich als richtig heraus: Heute wird der Firmenwert von Investoren auf 19 Milliarden Dollar taxiert - dabei macht Snapchat kaum Umsatz und dafür umso mehr Verlust.
Das ist wahrer Venture-Kapitalisten-Irrsinn, selbst wenn man berücksichtigt, dass sich die Art des täglichen Kommunizierens weiter in rasantem Umbruch befindet und Snapchat mit seinen bald 200 Millionen Nutzern ganz vorne mitmischt. Doch das Geschäftsmodell - das kostenlose Versenden von Selfies, Videos und Kurznachrichten, die sich anders als bei der Konkurrenz nach kurzer Zeit selbst zerstören - wurde infrage gestellt, als Hacker aufzeigten, wie leicht sich die Daten wiederherstellen lassen. US-Behörden werfen Snapchat zu laxen Umgang mit Datenschutz der meist jugendlichen Nutzer vor. Auch deshalb setzt das Unternehmen stärker auf Werbung und baut die App zur Plattform für Medieninhalte etwa der Musikindustrie aus. Damit wird man aber zu einem Player unter vielen - zwar ist Snapchat gerade hip, doch Smartphone-Trends sind flüchtig.
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