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Zölle von Trump: Abschotter und Freihändler
Die neuen Zollkonflikte bedrohen eine alternative Globalisierung
Ganz undiplomatisch kritisiert Rebeca Grynspan, Generalsekretärin der UN-Handels- und Entwicklungsorganisation Unctad, die aggressive Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump: »Der Handel darf nicht zu einer weiteren Quelle der Instabilität werden. Er sollte der Entwicklung und dem globalen Wachstum dienen.« Die Ökonomin aus Costa Rica weist damit auf einen Aspekt hin, der in der Aufregung über einen vermeintlich drohenden »Handelskrieg« zwischen den Wirtschaftsmächten USA, China und EU zu kurz kommt: Die am wenigsten entwickelten Länder und die kleinen Inselstaaten tragen fast nichts zum US-Handelsdefizit bei, werden aber am härtesten von Trumps Plänen getroffen.
Der Zollkonflikt ist ein Paradebeispiel dafür, wie politische Debatten nach rechts abrutschen. Ursprünglich kritisierten linke Gruppen und soziale Bewegungen die neoliberale Globalisierung, die spätestens seit 1990 zu exponentiellen Wachstumsraten beim Handel führte. Die Schaffung weltweiter Märkte für Waren, Kapital und Dienstleistungen hatte massive Folgen für arme Bevölkerungsteile und für Entwicklungsländer, zumal starke Wirtschaftsmächte ihre Subventionen nicht reduzierten. Sozialstandards wurden ausgehöhlt, die Umweltverschmutzung nahm zu. Linke Ökonomen kritisierten Handelsungleichgewichte und die einseitige Exportorientierung in Ländern wie Deutschland.
Kurt Stenger ist Redakteur im nd-Ressort Politik/Wirtschaft
Mit der Finanzkrise von 2008 wurde auch dem Letzten klar, dass deregulierte Märkte massive Schäden anrichten können. Seither begann eine Gegenbewegung: Auf internationaler Ebene wurden Arbeitsrechte, Klima- und Umweltschutz, Bankenregulierung, die Besteuerung von Konzernen und Reichen gestärkt. In der Welthandelsorganisation fanden die Interessen von armen Ländern etwas mehr Gehör. Zölle und andere Handelshemmnisse sind nämlich wichtig für den Aufbau von Industrien in Entwicklungsländern – und sie können auch soziale und Umweltbelange fördern.
Bei der Globalisierungskritik immer lauter wurden indes Unternehmergruppen im globalen Norden, die allein um ihre Profite bangen. Und so blühten Nationalismus und Protektionismus in der Außenwirtschaftspolitik auf. Einen Schub brachte schon die erste Amtszeit Trumps – die aktuelle Eskalation könnte gar eine neue Ära wirtschaftlicher Beziehungen einläuten. Wie die aussieht, ist keineswegs klar, da zwei Kapitalfraktionen aufeinanderprallen: Immobilienunternehmer Trump setzt auf Abschottung und Zollmauern, zumal damit Wahlen zu gewinnen sind. Börseninvestoren sehen es hingegen wie Tesla-Chef Elon Musk, der auf freien globalen Handel von Autos und Teilen sowie auf freie Standortwahl angewiesen ist. Aus seiner Sicht sollen die Zölle Druck aufbauen, um einen neuerlichen Boom bilateraler Freihandelsabkommen auszulösen. Zumindest in der EU stimmen einige wichtiger Politiker zu, die gerade auch dabei sind, Klimaziele und das Lieferkettengesetz zu schleifen.
Wer sich durchsetzt, ist letztlich nicht entscheidend. Denn Abschotter wie Freihändler sind sich in einem einig: in der Ablehnung einer alternativen Globalisierung. Aber nur diese würde ärmeren Bevölkerungsgruppen und dem globalen Süden zugutekommen. Oder wie es Unctad-Chefin Grynspan ausdrückt: »Die Regeln des Welthandels müssen sich weiterentwickeln, aber sie müssen in ihrem Kern berechenbar und entwicklungsfähig sein und die Schwächsten schützen.«
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