Verkrampfter Kraftprotz
Die deutschen Teamsprinter enttäuschen bei der Bahnrad-WM in Paris, Stephanie Pohl siegt im Punktefahren
Kristina Vogel überspielte die Enttäuschung über die »Holzmedaille« im Teamsprint mit einem Lächeln, Miriam Welte war einfach »ziemlich traurig«. Aber Männeranfahrer René Enders, der hatte einen richtig dicken Hals. »Ich hoffe, das war jetzt mal ein Wachrüttler für uns«, schimpfte der Thüringer nach Bronze für die Weltmeister von 2013, die angetreten waren, den Titel zurückzuholen. »Wir müssen einfach kritischer sein und manche Dinge strenger sehen«, moserte Enders und meinte zum einen die Leistung, zum anderen gewisse Nebengeräusche. »Auch wenn das für den einen oder anderen hart klingt, sollte man im Vorfeld vielleicht nicht so viel tönen und die Füße still halten. Mein Motto ist immer: Schnauze halten, schnell fahren«, sagte der 28-Jährige.
Seine Kritik - auch wenn er den Namen nicht offen aussprach - galt Robert Förstemann (28), der im entscheidenden Moment zum wiederholten Male verkrampft wirkte. »Wir haben auf Position zwei drei Zehntel verloren, das sind Welten. Das kostete uns den Platz im großen Finale«, kritisierte Enders insbesondere den Vorlauf. Er selbst legte auf seiner Position eins die beste Zeit hin.
Enders treibt bereits der Gedanke an Olympia in Rio um, dafür stellt er bewusst den Mannschaftsgeist auf eine Probe. Dass bis zu den Spielen 2016 ja noch genügend Zeit sei, fügte Enders an, »damit ist mir jetzt auch nicht geholfen«. Bundestrainer Detlef Uibel war in seiner ersten Analyse etwas moderater, brachte bei Förstemann dessen erst gut acht Wochen zurückliegenden Bandscheibenvorfall als mildernden Umstand ein. Doch dass er überlegt, im Einzelsprint anstelle von Förstemann auf Maximilian Levy zu setzen, zeigt das durchaus ramponierte Vertrauen in den Kraftprotz.
»Es hat bei uns nicht gepasst. Wir haben eine sichere Variante gewählt, das hat nicht funktioniert«, merkte Uibel an. Förstemann selbst fand seinen Einsatz »nicht zu früh«, es habe im Training schließlich funktioniert. »Gold war realistisch«, sagte er - das Fazit des Trainers war dementsprechend: »Wir brauchen nicht drumherum zu reden, wir wollten bei Männern und Frauen ins Finale. Platz drei und vier sind enttäuschend.« Gerettet hatte den ersten Wettkampfabend für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) Stephanie Pohl mit Gold im nicht olympischen Punktefahren. Nach WM-Silber im Vorjahr steigerte sich die Cottbuserin im nagelneuen Vélodrome National nochmals und gewann vor der Japanerin Minami Uwano und Kimberly Geist aus den USA.
Dass es bei Vogel und Welte diesmal nicht reichte, lag an Abstimmungsschwierigkeiten und der starken Konkurrenz. Die Chinesinnen Gong Jinjie und Tianshi Zhong entrissen den Olympiasiegerinnen nicht nur den WM-Titel, sondern sogar den Weltrekord (nun 32,034 Sekunden).
Ihre Zuversicht verlieren Vogel und Welte aber deswegen nicht. Welte hatte schon am Donnerstag im 500-m-Zeitfahren eine neue Medaillenchance, für Vogel stehen noch das Sprintturnier und der Keirinwettbewerb an. »Die WM ist noch nicht vorbei. Ich bin noch lange nicht geschlagen«, sagte die Erfurterin kämpferisch. Und auch Welte kündigte eine Reaktion an: »Es ist Ansporn genug, weil ich weiß, wo ich in Rio sein will.« SID
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