Träumen von der großen Bühne

Folge 56 der nd-Serie »Ostkurve«: Zweitligist FFV Leipzig, drittbester Frauenfußballverein im Osten, ringt um Aufmerksamkeit

  • Max Zeising, Leipzig
  • Lesedauer: 5 Min.
In der Messestadt wird erfolgreicher Frauenfußball gespielt. Doch der FFV Leipzig kämpft um jeden Zuschauer und das sportliche Überleben. Der Verein erwägt daher eine Kooperation mit RB Leipzig.

Die Fußballwelt ist in Leipzig so vielfältig wie in kaum einer anderen deutschen Großstadt. Da gibt es RB Leipzig, den Emporkömmling, der mit viel Geld in der Hinterhand den Aufstieg in die 1. Bundesliga anstrebt. Da gibt es Lok Leipzig, den Traditionsverein, der zu DDR-Zeiten viermal Pokalsieger wurde. Und da gibt es Chemie Leipzig, den Kiezklub mit der alternativen Fankultur. Dass in der größten Stadt in Ostdeutschland nach Berlin auch recht erfolgreich Frauenfußball gespielt wird, weiß hingegen kaum jemand: Der FFV Leipzig spielt in der Nordstaffel der 2. Bundesliga und ist momentan hinter den Erstligisten Turbine Potsdam und USV Jena der drittbeste Frauenfußballverein in den neuen Bundesländern.

Das Problem ist aber: Für Potsdam interessiert man sich auch überregional, für Jena noch so ein bisschen, für Leipzig dagegen nicht einmal mehr in der Region. Zum letzten Heimspiel gegen den BV Cloppenburg kamen gerade einmal 40 Zuschauer. »Wir kommen auch so gut wie gar nicht in den Medien vor«, beklagt Trainer Thomas Matheja und zieht einen Vergleich: »Die zweite Männermannschaft von RB Leipzig spielt in der Oberliga. Die haben mehr Zuschauer und stehen wesentlich öfter in der Lokalpresse als wir.«

Das Besondere beim Frauenfußballverein Leipzig ist also, dass man zwar Bundesliga spielt, von professionellen Bedingungen aber weit entfernt ist. Die Mannschaft trainiert drei- bis viermal die Woche, niemand verdient hier Geld, die Atmosphäre ist familiär. Es ist ein reiner Amateurverein - was nicht nur negative Seiten hat. Denn wie man das auch von den kleinen Dorfklubs aus der Provinz kennt, so verbindet die Spielerinnen mehr als nur der Fußball. »Wir machen auch außerhalb des Sports etwas zusammen. Zum Beispiel haben wir kurz vor Weihnachten ein Grillfest veranstaltet«, berichtet Matheja.

Sportlich ist derzeit die zweite Liga das »oberste Limit«, wie der Coach sagt. »Auch wenn sich die Verantwortlichen im Verein wünschen, irgendwann in die erste Bundesliga aufzusteigen, ist in dieser Saison erst einmal der Klassenerhalt das Ziel«. Aktuell ist Leipzig Viertletzter. Zwei Mannschaften steigen ab, eine muss in die Relegation. Es wird also eng. »Ich möchte mich eigentlich gar nicht mit dem Thema Abstieg beschäftigen«, wehrt Matheja ab.

Es gab aber auch schon deutlich erfolgreichere Zeiten - damals noch als Sektion des 1. FC Lok Leipzig. In der Saison 2011/12 spielte Lok eine Saison in der obersten deutschen Spielklasse gegen die Branchenführer aus Potsdam, Frankfurt, Wolfsburg und München. Nach dem Abstieg kam es zur Abspaltung. »Lok hatte finanzielle Probleme und wollte sich deshalb stärker auf die Männermannschaft und den Nachwuchs konzentrieren. Die Frauen mussten einen neuen Verein gründen - den FFV«, erklärt Matheja. Ein Nachteil für sie, denn Lok Leipzig war eine bekannte Marke, die Sponsoren, Medien und Fans anlockte.

Heute müssen andere Wege gefunden werden, um die Aufmerksamkeit für den Frauenfußball in Leipzig zu steigern. Kooperationen könnten helfen - zum Beispiel mit RB Leipzig. Jedenfalls erhofft sich Matheja, dass vom Aufschwung des ambitionierten Zweitligisten auch die anderen Vereine in der Stadt profitieren. »RB investiert im Gegensatz zu Lok und Chemie auch in den Frauenfußball. Da kann ich mir eine Zusammenarbeit sehr gut vorstellen«, sagt er. Man sieht: Der FFV Leipzig tritt nicht in Konkurrenz zu dem Stadtrivalen - er ist vielmehr auf ihn angewiesen.

Spitze ist der FFV nur im Nachwuchsbereich. »Wir sind ein Ausbildungsverein. Unsere Konzentration liegt mehr auf der Jugendarbeit als auf der ersten Mannschaft«, sagt Thomas Matheja. Das sieht man schon, wenn man durch das Vereinshaus läuft: Fast alle Räume sind für Juniorenmannschaften ausgelegt. Auf dem Flur stehen Pokale, die Nachwuchsteams gewonnen haben. Und vor dem Haus steht in großen Lettern, dass sich hier gleichzeitig das »Landesleistungszentrum für Frauen- und Mädchenfußball in Sachsen« befindet. »Das ist unser großes Plus. Hier spielen die besten Nachwuchsspielerinnen des Bundeslandes«, betont Matheja. Das Ziel sei es, sie bis in die erste Mannschaft zu führen.

Andere Spielerinnen haben aber auch schon bei größeren Vereinen gespielt. Zum Beispiel die Kapitänin Anne Heller, die in der Jugend bei Turbine Potsdam spielte und 2009 nach Leipzig wechselte - zwei völlig unterschiedliche Welten, wie sie selbst sagt: »Potsdam hat einen bekannten Namen, eine viel längere Geschichte, viel mehr Erfolge und war zudem schon immer bekannt für seine exzellente Nachwuchsarbeit. Uns gibt es ja erst seit kurzem.«

Und die Kluft zwischen den Spitzenmannschaften des Frauenfußballs und den übrigen Teams scheint immer größer zu werden, was nach Ansicht des Trainers daran liegt, dass sich internationale Erfolge nicht in der Breite auszahlen würden: »Zweifelsohne hat der Frauenfußball von den Titeln der deutschen Nationalmannschaft und in der Champions League profitiert, aber eben nur in der Spitze.« Anne Heller ergänzt, dass »dadurch die Attraktivität des Sports sinkt. Wenn Potsdam 8:0 gewinnt, ist das langweilig«. Gleichzeitig ist der Abstand zu den Teams der ersten Bundesliga, die gegen den Abstieg spielen, laut Matheja gar nicht so groß: »Wir haben in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den MSV Duisburg gespielt und nur knapp 2:3 nach Verlängerung verloren. Wir konnten gut mithalten.« Umso mehr könne sich der FFV Leipzig bestärkt fühlen, den Sprung in die Eliteklasse irgendwann schaffen zu können.

Ohnehin gehört es zu den Eigenheiten der Leipziger Fußballvereine, dass sie glauben, eine bessere Liga verdient zu haben als die, in der sie momentan spielen. Bei RB Leipzig wurde zuletzt Trainer Alexander Zorniger gefeuert, weil es den Verantwortlichen nicht schnell genug vorangeht. Und Lok Leipzig ernannte den ehemaligen Nationalspieler Mario Basler zum Sportchef, um den bis in die Oberliga abgestürzten Verein schnellstmöglich wieder nach oben zu führen.

Auch beim FFV Leipzig haben sie das Gefühl, eine gewichtige Rolle spielen zu müssen, auch wenn sie sich weniger Druck machen. So hört man auch von Thomas Matheja diesen einen Satz, den schon viele Leipziger gesagt haben: »Die Stadt Leipzig hat Fußballtradition und großen Sport verdient.« Gleichzeitig blickt der Übungsleiter optimistisch in die Zukunft: »RB wird nicht aufzuhalten sein. Lok wird hoffentlich irgendwann wieder Regionalliga, wenn nicht sogar dritte Liga spielen. Und wir werden in dieser Saison auf jeden Fall die Klasse halten. Und mal sehen, wo wir in ein paar Jahren stehen.«

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