Zweimal Maidan
Roland Etzel zur gespaltenen Wahrnehmung der Ukraine-Krise
Wer die Vorgänge von vor einem Jahr in der Ukraine am Wochenende aus Kiewer und aus Moskauer Sicht nacherzählt bekommt, kann nicht glauben, dass hier von der selben Sache gesprochen wird. Zu krass sind die Wahrnehmungsunterschiede zu dem, was auf Kiews Maidan geschah. Es blüht - auf beiden Seiten - Legendenbildung der finstersten Art. Was die Mehrheit der Ukrainer tatsächlich denkt, ist nicht bekannt. Von den nonstop berichtenden Fernsehsendern erfährt man es jedenfalls nicht.
Die Reden zum Kiewer Maidan-Gedenkmarsch waren in beängstigendem Maße unversöhnlich. Die raubeinige Reaktion der Moskauer Anti-Maidan-Proteste ebenso. Wen immer es nach noch mehr Konfrontation gelüstet - beide Seiten boten dafür Hassprediger in Hochform.
Dominierte die dort wiedergegebene Stimmung tatsächlich alle Handlungen in der Sache, bliebe vernunftgesteuerter Diplomatie wohl kein Fußbreit Raum. Aber so ist es offensichtlich nicht, noch nicht. Der Gefangenenaustausch spricht dafür ebenso wie die Unterzeichnung eines Dokuments zum Abzug schwerer Waffen.
Mit Verzögerungen, auch zeitweiligen Verletzungen derartiger Vereinbarungen muss dabei immer gerechnet werden. Um so wichtiger ist die auswärtige Begleitmusik. Die ukrainischen Akteure achten darauf sehr genau, die in Kiew wie die in Donezk. Werden die Kompromisssucher bedient oder die Scharfmacher? Darauf müssen sie achten, denn allein sind sie recht schwach und pleite sowieso - die in Kiew wie die in Donezk.
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