Prozess gegen Sebastian Edathy vertagt

Ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter wehrt sich gegen Vorwürfe, kinderpornografisches Material besessen zu haben / Verteidigung fordert Einstellung des Edathy-Verfahrens

  • Lesedauer: 3 Min.

Verden. Der Kinderporno-Prozess gegen Sebastian Edathy hat mit einem Streit zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung begonnen. Nach nur anderthalb Stunden wurde das Verfahren vertagt.

Zum Auftakt des Kinderporno-Prozesses gegen den ehemaligen SPD-Bundestagabgeordneten Sebastian Edathy hat die Verteidigung eine Einstellung des Verfahrens gefordert. Grund sei ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, sagte der Verteidiger am Montag vor dem Landgericht Verden. Die Ermittlungen gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig wegen des Verdachts des Geheimnisverrats seien ein Verfahrenshindernis. Lüttig soll interne Ermittlungsdetails auch zum Fall Edathy an Journalisten weitergegeben haben. Außerdem seien weitere Ermittlungsverfahren wegen Durchstechereien eingeleitet worden, argumentierte der Anwalt. Immer wieder hätten Journalisten unter Hinweis auf Ermittlerkreise berichtet.

Mehr zum Thema

Chefankläger in den Fällen Wulff und Edathy steht wegen Weitergabe vertraulicher Infos am Pranger. Mehr

Der Kreis der Eingeweihten im mutmaßlichen Kinderporno-Fall Sebastian Edathy war nach Informationen des NDR größer als angenommen. 57 Politiker, Ermittler und Amtsträger in Niedersachsen sollen demnach bereits vor den Hausdurchsuchungen bei Edathy von dem Verdacht gewusst haben. Mehr

Im Fall Sebastian Edathy könnte dessen mutmaßlicher Informant Michael Hartmann zur Wahrheitsfindung beitragen. Dafür müsste der SPD-Politiker aber wohl seine bisherigen Aussagen widerrufen. Mehr

Was als »Fall Edathy« weder halb richtig noch völlig falsch beschrieben ist, entzieht sich einfachen Wahrheiten. Die Schwere der moralischen Fehlleistung des Sozialdemokraten, der sich Filme von Minderjährigen besorgte, die kaum dadurch besser werden, dass sie nicht verboten sind, hebt zum Beispiel nicht die Rechte des Verdächtigten auf, was Unschuldsvermutung, Privatsphäre und differenzierte juristische Bewertung angeht.  Tom Strohschneider über den »Fall Edathy« und den Politbetrieb

Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy muss sich ab Montag vor Gericht verantworten, weil er sich über das Internet kinderpornografische Videos und Bilder besorgt haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, mit seinem Dienstnotebook mehrfach einschlägige Bild- und Videodateien aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Zudem soll er ein Buch und eine CD mit Fotos besessen haben, die sie als jugendgefährdend einstuft. Der Fall sorgte auch deshalb für Aufsehen, weil der Verdacht besteht, Edathy könnte von Eingeweihten frühzeitig über die Ermittlungen gegen ihn informiert worden sein.

57 Politiker, Ermittler und Amtsträger in Niedersachsen sollen demnach von dem Verdacht gewusst haben. Entsprechende Unterlagen sollen dem NDR-Fernsehmagazin »Hallo Niedersachsen« vorliegen. Sie geben auch Aufschluss über die Wege, auf denen diese Personen informiert wurden, dass sich Edathys Name auf einer Liste im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen des Erwerbs von kinderpornografischem Material befindet.

Sebastian Edathy bestreitet die Vorwürfe. Im Fall einer Verurteilung drohen dem 45-Jährigen laut Gesetz bis zu zwei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Der Prozess findet am Landgericht Verden in Niedersachsen statt und ist bis Ende April angesetzt.

Chronologie: Was bisher geschah

7. Februar 2014: Edathy legt überraschend sein Bundestagsmandat nieder und gibt dafür gesundheitliche Gründe an.

10. Februar: Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Edathys Wohnungen und Büros durchsuchen, es fällt erstmals das Wort Kinderpornografie.

14. Februar: Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) tritt wegen der Edathy-Affäre zurück. Er hatte die SPD-Spitze im Oktober 2013 noch als Innenminister über den Pornografie-Verdacht informiert.

24. Februar: Die SPD leitet ein Parteiordnungsverfahren gegen Edathy ein.

2. Juli: Ein Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Affäre startet. Er soll unter anderem klären, ob Edathy frühzeitig informiert worden ist. Es geht dabei auch um den Verdacht von Geheimnisverrat.

17. Juli: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt Anklage gegen Edathy wegen Besitzes von Kinderpornografie. Edathy streitet jedes strafbare Verhalten vehement ab.

29. August: Das Bundesverfassungsgericht weist Edathys Beschwerde wegen der Durchsuchung seiner Räumlichkeiten zurück.

18. November: Das Landgericht Verden, das für Edathys Wohnort Rehburg-Loccum zuständig ist, gibt bekannt, dass der Prozess gegen ihn am 23. Februar 2015 beginnen soll.

18. Dezember: Edathy wird als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages befragt. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt seit seiner Mandatniederlegung. Zuvor stellt er sich erstmals in einer Pressekonferenz auch den Fragen von Journalisten. Edathy sagt im Ausschuss aus, sein Parteifreund Michael Hartmann habe ihn regelmäßig über den Ermittlungsstand informiert - der bestreitet das am gleichen Tag im Ausschuss.

9. Januar: Die Staatsanwaltschaft Hannover lehnt die Einstellung des Prozesses gegen Geldauflage ab. Man sehe keine Möglichkeit dafür, das Verfahren wegen mangelnder Schwere der Vorwürfe gegen Geldauflage zu beenden. Edathys Verteidigung hatte dies beantragt. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!