SYRIZAs linker Flügel begehrt auf
Unterordnung unter die Troika? Kompromiss mit der Eurogruppe stößt auf Vorbehalte
Es gibt Dinge, die in Griechenland noch normal sind: Strapazen bei der Rückreise aus dem verlängerten Faschingswoche, meldete die Presse am Montagabend. Hunderttausende von Griechen hatten sich auch dieses Jahr den Karnevalsrummel in Faschingshochburgen wie Patras oder Kozani nicht entgehen lassen. Er leitet die folgenden 40 Fastentage bis zum orthodoxen Osterfest ein.
Fasten aber soll Griechenland noch viel länger. Zumindest, wenn es weiterhin nach dem Willen der Troika - nunmehr »die Institutionen« genannt - geht, mit der die SYRIZA-geführte Regierung jede Gesetzesvorlage abstimmen muss, mit der das Land aus der Krise heraus geführt werden soll. Die Ansichten darüber, welche Schritte dafür getan werden müssen, gehen nach wie vor auseinander.
Dies gilt auch für SYRIZA selbst. So kritisierte der Europaabgeordnete Manolis Glezos die zwischen Regierung und Eurogruppe ausgehandelte Einigung über eine viermonatige Verlängerung des Kreditprogramms unter gelockerten Konditionen als »Trugbild«. Alles sei wie bisher, nur die Regierung versuche nun »Fleisch als Fisch darzustellen«, erklärte er. Zu einem Zeitpunkt, in dem »der Kampf noch in Entwicklung sei«, hätte man sich eine gerechtere und nüchternere Einschätzung von einem erfahrenen Parteimitglied wie Glezos erwartet, so die lakonische Antwort von Staatsminister Alekos Flambouraris.
Ministerpräsident Alexis Tsipras selbst äußerte sich zu der Kritik zunächst nicht. Er traf sich allerdings noch am Dienstag mit einer weiteren Symbolfigur des Widerstands gegen die griechische Militärdiktatur, die in dieselbe Kerbe geschlagen hatte. Die Führung von SYRIZA müsse dem deutschen Finanzminister ihr eigenes »Nein« entgegenschleudern, forderte Mikis Theodorakis in einem offenen Brief bereits am Sonntag. Gestützt auf eine »nationale Währung« und die Ausbeutung des »nationalen Reichtums« solle man der von dem großen griechischen Barden unterstellten Fremdherrschaft aus Berlin die Stirn bieten. Als Krieger müsse man eine Strategie haben und den Verstand einsetzen, um dem Gegner nicht in die Falle zu gehen, antwortete Tsipras dem fast 90-jährigen Nationalhelden im persönlichen Gespräch.
Ernster zu nehmen hat der Vorsitzende der Linkspartei jedoch gemäßigtere Vorbehalte aus den eigenen Reihen gegen das bisher Erreichte. Es sei schwierig, die Umsetzung des eigenen Regierungsprogramms mit den Vereinbarungen in der Eurogruppe in Einklang zu bekommen, meldete sich beispielsweise der dem linken Flügel von SYRIZA zuzurechnende Abgeordnete Kostas Lapavitsas zu Wort. Und auch in der Regierung selbst regt sich Widerstand gegen die vielen Zugeständnisse an die europäischen Partner. Keine Vereinbarung dürfe die Umsetzung dieses Programms gefährden, hatte der Minister für Produktionsreform, Energie und Umwelt, Panagiotis Lafazanis, bereits vor der Übereinkunft gefordert.
Lafazanis steht an der Spitze der etwa ein Drittel der Partei repräsentierenden Linken Plattform. Sein Kollege Giorgos Katrougalos, Vizeminister für Verwaltungsreform, drohte mit dem eigenen Rücktritt, sollte die von ihm versprochene Wiedereinstellung entlassener Staatsbediensteter wie der Putzfrauen im Finanzministerium und der Schulwächter am Widerstand in Brüssel und Berlin scheitern.
Die nicht selbst im Parlament vertretene kleine Marxistische Strömung innerhalb der Partei bezeichnete die in der Eurogruppe getroffenen Vereinbarung über eine viermonatige Verlängerung des Kreditprogramms als »Unterordnung der Regierung unter die Erpressung der Troika« und forderte die »linken Abgeordneten« auf, ihr die Zustimmung im Parlament zu verweigern. Gleich aus mehreren Strömungen innerhalb der Linkspartei wurde eine Diskussion über die eingegangenen Verpflichtungen und das weitere Vorgehen nicht nur in der Fraktion, sondern auch in den Führungsgremien der Partei gefordert.
Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, der SYRIZA-Politiker Dimitrios Papadimoulis, bekräftigte unterdessen das Ziel der Regierung in Athen, »die einseitige und harte Kürzungspolitik zu beenden«. Man wolle die Wirtschaft »auf nachhaltige Entwicklung ausrichten und eine tragfähige Lösung für die Staatsschulden finden«, wozu nun »eine Brückenlösung« angestrebt werde »zwischen dem bisherigen Kreditprogramm, das gescheitert ist, und einem neuen Programm«.
Derzeit kann sich die Regierung auf die Unterstützung einer Mehrheit in der griechischen Bevölkerung berufen. In einer allerdings kurz vor der in der Eurogruppe getroffenen Vereinbarung entstandenen Umfrage äußerten sich 80 Prozent der Gefragten zufrieden mit der Verhandlungsführung durch die Regierung. Doch die Geduld der nach wie vor auf Verbesserungen ihrer Lebenssituation wartenden Griechen hat ihre Grenzen. In diesen Tagen finden bereits die ersten Gewerkschaftsversammlungen seit den Wahlen statt.
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