Kreditprogramm: 22 Nein-Stimmen in der Union
SPD einstimmig für Verlängerung / Sondersitzungen der Fraktionen im Bundestag / Diskussion über drittes Kreditprogramm für Athen
Update 9.05 Uhr: Die SPD-Fraktion hat sich klar für die Verlängerung des Kreditprogramms für Griechenland ausgesprochen. Die Abgeordneten votierten in einer Sondersitzung am Donnerstagmorgen einstimmig für den nach zähem Ringen zwischen den Euro-Finanzministern und Athen ausgehandelten Plan, wie aus Fraktionskreisen verlautete. Bei Union wollen mehrere Abgeordnete gegen das Programm stimmen. In einer Fraktionssitzung votierten am Donnerstagmorgen nach Teilnehmerangaben 22 Abgeordnete mit Nein, fünf enthielten sich. Die SPD hat 193 Abgeordnete im Bundestag, CDU/CSU 311. Insgesamt gehören dem Bundestag derzeit 631 Abgeordnete an. Eine große Mehrheit bei der Abstimmung am Freitag gilt trotz Kritik vor allem aus den Reihen von CDU und CSU als sicher.
Union und SPD beraten über Griechenland
Berlin. Vor der Abstimmung über die Verlängerung des Kreditprogramms im Bundestag am Freitag kommen die Koalitionsfraktionen zu Sondersitzungen zusammen. Trotz Kritik vor allem aus den Reihen von CDU und CSU gilt eine große Mehrheit für ein Ja bei der frü Freitag angesetzten Abstimmung als sicher. Das laufende, schon 2012 beschlossene Kreditprogramm für Griechenland soll unter veränderten Bedingungen um vier Monate bis Ende Juni verlängert werden.
Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Finanzhilfen zugunsten Griechenlands; Verlängerung der Stabilitätshilfe - hier
Unterrichtung durch das Bundesministerium der Finanzen zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Februar 2015 - hier
Eine große Mehrheit der Christsozialen wolle aber zustimmen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe in »intensiver Diskussion« für den Plan geworben. Auch einige CDU-Politiker hatten bereits eine Ablehnung angekündigt, so etwa die Abgeordneten Wolfgang Bosbach und Klaus-Peter Willsch. Es besteht aber kein Zweifel, dass es am Freitag im Bundestagsplenum eine breite Mehrheit für die Verlängerung des Kreditprogramms geben wird.
Ja-Stimmen werden auch aus den Oppositionsfraktionen von Linken und Grünen erwartet. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, sie rechne bei der Verabschiedung des Antrages am Freitag mit Enthaltungen und Ja-Stimmen aus ihrer Fraktion. Ihr endgültiges Abstimmungsverhalten will die Linke aber erst auf einer weiteren Sitzung am Freitag unmittelbar vor der Entscheidung des Bundestages festlegen. Erwartet wird, dass sich die Linken-Abgeordneten entweder auf eine gemeinsame Zustimmung verständigen oder das Abstimmungsverhalten freigegeben wird. Bei den bisherigen Bundestagsbeschlüssen zu den Hilfen für Griechenland hatte die Fraktion stets mit Nein votiert.
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Diesmal werben aber viele Linken-Politiker für ein Ja. Die SYRIZA-geführte Regierung habe unter bedrängten Umständen einen Kompromiss herausgehandelt, der ihr Zeit für die Verfolgung eigener Ziele verschaffe und die Möglichkeit eines grundlegenderen Kurswechsels in der Krisenpolitik offen halte. Es sei zwar nach wie vor problematisch, in welcher Weise der griechischen Regierung durch das Hilfsprogramm »Handlungsspielräume abgeschnürt werden«, sagte Wagenknecht. Dennoch wolle die Linke der SYRIZA-Regierung in Athen die Chance geben, ihre Vorhaben umzusetzen. »Wir wollen ihr nicht den Boden abgraben.«
Für ein Ja warben unter anderem die Europaminister der Linkspartei in Thüringen und Brandenburg, Benjamin-Immanuel Hoff und Helmuth Markov, der Bundesgeschäftsführer der Linken Matthias Höhn, der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Michael Schlecht, das Forum demokratischer Sozialismus sowie der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer. Bei einer Probeabstimmung am Dienstag hatten 29 Parlamentarier der Linken für eine Verlängerung des Kreditprogramms für Griechenland votiert, vier mit Nein und 13 enthielten sich.
Derweil rechnet der Ökonom Lars Feld, der zu den so genannten Wirtschaftsweisen gehört, damit, dass Athen im Sommer ein drittes Kreditprogramm benötigt. »Griechenland benötigt allein von Juli bis Oktober mehr als zehn Milliarden Euro frisches Geld. Da das Land an den Kapitalmärkten keine Kredite bekommt, führt an einem dritten Hilfspaket kein Weg vorbei«, sagte er der »Bild«-Zeitung. Ähnlich hatte sich zuvor auch schon der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, geäußert und den Finanzbedarf Athens in einem dritten Programm mit 40 Milliarden Euro beziffert.
SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider rechnet ebenfalls mit einem dritten Kreditprogramm in mittlerer zweistelliger Milliardenhöhe. »Wenn Griechenland im Euro bleiben soll, wird es im Sommer ein drittes Hilfspaket geben müssen«, sagte Schneider der »Rheinischen Post«. Er rechne »persönlich mit einer Größenordnung von bis zu einem mittleren zweistelligen Milliardenbetrag. Denn Griechenland wird auch im Sommer nicht kapitalmarktfähig sein.« Die Bedingungen für ein neues Kreditprogramm seien dann »genau die, die wir bisher schon hatten«, sagte Schneider. Griechenland müsse Haushaltsziele einhalten, für mehr Steuergerechtigkeit sorgen und Maßnahmen für mehr Wachstum umsetzen. Agenturen/nd
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