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Entscheidung für ein neutrales Netz

US-Behörde beschließt gleiche Geschwindigkeit für alle Internetnutzer

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die US-Aufsichtsbehörde FCC hat nach langer Debatte strikte Regeln für die Neutralität im Internet beschlossen. Die Entscheidung dürfte auch Auswirkungen auf die Diskussion in Europa haben.

Es kommt in Zeiten ständig neuer NSA-Enthüllungen und globaler Überwachung durch staatliche Stellen selten vor, dass Netzaktivisten hierzulande eine Entwicklung in den USA als vorbildhaft bezeichnen. Am Donnerstag beschloss jedoch die für das Internet zuständige Aufsichtsbehörde Federal Communications Commission (FCC) strikte Regeln für die sogenannte Netzneutralität. Damit entschieden sich die Amerikaner für ein Netz, in dem die Daten keines Kunden schneller oder langsamer als die anderer Kunden befördert werden dürfen - und ernten dafür Lob aus Europa.

»Die FCC hat heute eine historische Entscheidung für die Freiheit, Offenheit und Innovationskraft des Netzes getroffen«, jubelte Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, kurz nachdem das Votum mit drei zu zwei Stimmen für die Netzneutralität gefallen war. Die Entscheidung war erwartet worden, zeigt aber gleichzeitig, wie gespalten die Meinungen in der US-Aufsichtsbehörde bleiben. So kritisierten die beiden republikanischen Kommissionsvertreter den Vorschlag des FCC-Vorsitzenden Tom Wheeler als harten Eingriff in die Marktfreiheit der Internetanbieter. Wheeler konterte, das Internet sei »einfach zu wichtig, um alleine die Provider über die Regeln bestimmen zu lassen«.

Die Regeln für das Netz bestimmt nun die FCC mit einem 300 Seiten starken Katalog voller Vorschriften. Wichtigste Maßnahme: Kein Provider darf einzelne Dienste gegen Bezahlung beim Transport der Datenströme bevorzugen oder einen nicht-zahlenden Anbieter ausbremsen. Ausgenommen von dieser Regulierung sind lediglich Dienste, die aus technischen Gründen unbedingt Vorrang benötigen, etwa die medizinische Überwachung von Patienten aus der Ferne.

Ob die Entscheidung fiel, um den demokratischen Grundgedanken des Netzes zu stärken, muss mit einem großen Fragezeichen versehen werden, denn zur Wahrheit gehört, dass die Entscheidung für Netzneutralität auch auf starken Druck des Silicon Valleys hin fiel. So verfasste die erste Riege der US-Internetkonzerne, darunter Schwergewichte wie Amazon, Facebook, Google, Ebay und Microsoft im Mai 2014 einen offenen Brief, in dem sie die FCC aufforderten, ein Zweiklassennetz zu verhindern, wie es insbesondere die Telekommunikationsanbieter wie Verizon oder AT&T bevorzugen, die darin ein Geschäftsmodell sehen.

Interessant ist zu beobachten, wie Politik und die europäische Digitalwirtschaft auf das eindeutige Signal aus den USA reagieren. Während es vom Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) Lob gab, erklärte der Digitalverband Bitkom, es gäbe in Deutschland derzeit kein Problem, das gesetzlich reguliert werden müsste.

Die EU-Kommission versucht indes schon länger, eine Einigung in Sachen Netzneutralität mit allen Mitgliedsstaaten zu erzielen. Während Deutschland und Italien eine Regelung im Sinne der Zugangsanbieter forcieren, setzen sich die Niederlande und Österreich für einen gleichberechtigten Datenverkehr ein.

Gegenüber der österreichischen Tageszeitung »Der Standard« deutete der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer an, die Entwicklungen in den USA zur Netzneutralität könnten in den Verhandlungen um das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP Thema werden. Im Klartext: Die Amerikaner dürften Druck ausüben, damit sich die EU klar zur Netzneutralität bekennt.

In den USA dürfte aber bald die nächste digitale Debatte für Aufregung sorgen. Nachdem den Providern ein Zweiklassennetz verwehrt wurde, erschließen diese sich ein neues Geschäftsfeld. AT&T und Verizon haben begonnen, das Surfverhalten ihrer Kunden zu protokollieren und Daten an die Werbewirtschaft zu verkaufen. Dafür dürfte es aus Europa kaum lobende Worte geben.

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