Testfall Tikrit: Ist der Islamische Staat zu stoppen?
Mit Unterstützung schiitischer Milizen kämpft die irakische Armee um die Befreiung der Stadt von den Dschihadisten
Die Bilder aus Irak ähneln sich. Schon einmal begann die irakische Armee im vergangenen Sommer eine Offensive, um die Stadt Tikrit aus den Händen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu befreien. Auch damals verbreitete das Staatsfernsehen euphorisch Siegesmeldungen. Sogar Bilder aus angeblich befreiten Teilen der Stadt waren zu sehen. Sie entpuppten sich später als Propaganda. Alle Angriffe auf Tikrit scheiterten bisher.
Jetzt sind wieder Bilder von heftigen Kämpfen im Fernsehen und in Internetvideos zu sehen. Seit dem Wochenende versuchen irakische Streitkräfte erneut, Tikrit mit einer Großoffensive unter Kontrolle zu bringen. 30 000 Mann hat die Regierung von Ministerpräsident Haidar al-Abadi angeblich im Umland der Stadt zusammengezogen.
Zwar erhält die Armee seit einigen Monaten Hilfe von US-Militärberatern. Ein Sieg in Tikrit ist dennoch ungewiss. Beide Seiten würden »hart und aggressiv« kämpfen, sagte der Militärexperte Muajid al-Windawi. Er rechnet mit vielen Opfern.
Dabei wäre ein Erfolg in dem Feldzug wichtig, soll die sunnitische IS-Terrormiliz in Irak eines Tages besiegt werden. Tikrit ist nicht irgendeine Stadt. Sie liegt an einer wichtigen Verbindungsstraße zwischen Bagdad und der nordirakischen IS-Hochburg Mossul. Als Heimatort von Saddam Hussein gilt sie zudem als Zentrum sunnitischer Regierungsgegner, von denen sich viele mit den Extremisten verbündet haben.
Vor allem aber stellt die Schlacht um Tikrit einen Testfall dar, ob die Kräfte der Armee irgendwann in der Lage sein könnten, auch die IS-Hochburg Mossul zu befreien. Eigentlich soll der Vormarsch auf die inoffizielle Hauptstadt der Extremisten in Irak noch vor dem Fastenmonat Ramadan in diesem Sommer beginnen - so erklärte es zumindest vor Kurzem ein Sprecher des US-Zentralkommandos. Sollte Iraks Armee jedoch in Tikrit scheitern, dürfte ein baldiger Angriff auf Mossul unwahrscheinlich sein.
Tikrit wird auch wegweisend sein für das schwierige Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten im Land. Iraks Armee ist nur deshalb zum Angriff auf die Stadt in der Lage, weil sie massive Hilfe von schiitischen Milizen bekommt. Diese schützten bisher vor allem Bagdad und die schiitischen Regionen im Süden des Landes mit religiösen Heiligtümern. Jetzt greifen sie immer stärker auch in Kämpfe in den sunnitischen Gebieten Iraks ein. Die schiitischen Milizen sind bekannt für rücksichtslose Gewalt, mit der sie schon gegen US-Truppen kämpften. Sunniten werfen ihnen immer wieder Massaker vor.
Bis heute sind es vielerorts vor allem die Schiiten-Milizen, die den sunnitischen Extremisten und deren Verbündeten die Stirn bieten. »Sie sind wesentlich stärker als die offiziellen Sicherheitskräfte«, sagt Analyst Windawi. Mindestens 100 000 Mann sollen für die schiitischen Gruppen unter Waffen stehen. dpa
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.