Punkte zählen

Für Kanadas Einwanderungssystem sind vor allem Bildung und Berufserfahrung wichtig

Das kanadische Punktesystem zur Steuerung von Einwanderung ist nicht nur für die SPD vorbildlich. Es teilt Zuwanderer nach Qualifikation und Kompetenzen ein und vergisst dabei auch gerne mal Hilfsbedürftige.

Seit mehr als zehn Jahren wird von Politikern unterschiedlicher politischer Couleur ein Punktesystem für die Zuwanderung immer wieder ins Spiel gebracht. Bereits 2003 war es in einem rot-grünen Gesetzesentwurf enthalten. Auch in der schwarz-gelben Bundesregierung, die bis 2013 im Amt war, gab es Befürworter dieses Systems, mit dem die Einwanderung nach Deutschland gesteuert werden sollte. Und meistens wurde dabei Kanada als Vorbild genannt. Das tut auch das Eckpunktepapier der SPD, das am Dienstag von Fraktionschef Thomas Oppermann in Berlin vorgestellt wurde. Das Ziel der Sozialdemokraten ist dabei, die in einigen Branchen dringend benötigten Fachkräfte nach Deutschland zu locken.

In dem nordamerikanischen Land ermitteln die Behörden durch bestimmte Kriterien, ob Ausländer die Voraussetzungen für eine Einwanderungsgenehmigung erfüllen. Genau an jenen Faktoren orientiert sich der SPD-Vorschlag für ein »flexibles und nachfrageorientiertes Punktesystem«. Für Berufserfahrung, Alter, Sprachkenntnisse, Bildungsstand und Anpassungsfähigkeit werden in Kanada maximal 100 Punkte vergeben. Wer die 66-Punkte-Hürde überspringt, kann sich für eine Niederlassungserlaubnis bewerben.

Der Nachweis von sehr guten Kenntnissen in den beiden Amtssprachen Englisch und Französisch bringt 16 Punkte, gute Kenntnisse werden mit acht Punkten bewertet und Grundkenntnisse mit zwei. Für die Sprachkompetenz werden insgesamt 24 Punkte verteilt.

Die meisten Punkte aber werden für einen hohen Schulabschluss vergeben. So bekommen Bewerber für einen Masterabschluss an einer Hochschule 25 Punkte. Ein Hauptschulabschluss dagegen bringt nur fünf Punkte. Voraussetzung, überhaupt in das Bewerbungsverfahren zu gelangen, ist eine Berufserfahrung von mindestens einem Jahr. Hatten Zuwanderer vier Jahre und mehr gearbeitet, erhalten sie 21 Punkte. Ein Jahr Erfahrung wird mit 15 Punkten honoriert.

Bei der Anpassungsfähigkeit prüfen die kanadischen Behörden das Umfeld der Visabewerber und den Bezug zu ihrer möglichen Wahlheimat. So werden beispielsweise Punkte erteilt, wenn der Ehepartner eine Berufsausbildung oder einen akademischen Grad nachweisen kann, Verwandte kanadische Staatsbürger sind oder ein Jobangebot aus Kanada vorliegt. Auch für einen Studienaufenthalt des Bewerbers oder seiner Lebensgefährtin gibt es Punkte.

Außerdem gibt die Regierung in Ottawa vor, wie viele Ausländer jährlich zuwandern dürfen. Diese Regelung will die SPD übernehmen: Jedes Jahr soll eine Quote festgelegt werden, welche Branchen wie viele Einwanderer benötigen. Fraktionschef Oppermann geht von einem Bedarf von 300 000 bis 400 000 Zuwanderern pro Jahr aus. »Wir fragen nicht, woher die Einwanderer kommen, sondern was sie können«, erklärte er.

Ähnlich wie in Kanada funktioniert das Einwanderungssystem in Australien. Auch hier werden Berufserfahrung, Ausbildung, Sprachkenntnisse und Alter unterschiedlich gewichtet. Dazu gehört ein Multiple-Choice-Test für Einwanderer mit 20 Fragen zu Demokratie, Gesetzen, Regierung und Landeskunde. Neuankömmlinge sollten jünger als 50 Jahre alt sein.

Dabei schottet sich der fünfte Kontinent rigoros gegen ungewollte Zuwanderung ab. Aufsehen erregte vor einigen Monaten eine Videokampagne der australischen Regierung, die eine hartes Vorgehen gegen Illegalisierte ankündigte. »Wenn ihr ohne Visum in unser Land kommt, wird Australien niemals eure Heimat werden - es gibt keine Ausnahmen«, verkündet darin ein Mann in einem Tarnanzug.

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