Kassieren statt demonstrieren
Christin Odoj sagt: Hände weg vom Frauentag
Wer ist eigentlich auf diese unsensible Idee gekommen? Ausgerechnet am 8. März, dem Frauentag, lässt der Senat zu, dass sich die Verkäuferinnen hinter die Kassen der Berliner Kaufhäuser und Shoppingcenter stellen müssen. Schuld ist die ITB, die Internationale Tourismusbörse. Während dort Geschäftsabschlüsse in Milliardenhöhe gefeiert werden, müssen die mehrheitlich weiblichen Beschäftigten im Einzelhandel also den Besucherstrom beim Konsumieren abfertigen. Abkassieren statt demonstrieren. Bundesweit sind über 75 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel Frauen. Deshalb hat die SPD samt Regierendem Bürgermeister also schon am Samstag die traditionellen roten Rosen verteilt (übrigens mehrheitlich vor Supermärkten und Einkaufscentern). Aus Angst, am Sonntag keine Frau mehr zu finden, die fürs Foto eine abhaben will.
Dabei ist Berlin abseits der routinierten Symbolik noch auf einem weiten Weg. Hier arbeiten Frauen oft häufiger als anderswo in der Republik in Teilzeit, sind alleinerziehend oder geringfügig beschäftigt. Faktoren, die die Altersarmut vor allem zu einem weiblichen Problem machen. Auf diese Missstände aufmerksam zu machen, sollte ein gutes Recht für jede/n Berliner/in sein.
Dass ich am Frauentag einen Kommentar schreibe, der kritisiert, dass Frauen am Frauentag arbeiten, anstatt für ihre Rechte auf die Straße zu gehen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.