Machtlose Käufer?
Lebensmittelkennzeichnung, Elektroschrott und Strompreise - viele Verbraucherschutzprobleme sind ungelöst
Mit allen Mitteln kämpfen Einzelhändler, Banken oder Onlineshops um den Kunden. Dass sie dabei aber dessen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, ist kaum zu vermuten: Abofallen im Internet, undurchsichtige Inhaltsangaben auf Lebensmittelverpackungen und steigende Energiekosten trotz fallender Strombörsenpreise sprechen eine deutliche Sprache. Der Ratlosigkeit der Verbraucher angesichts der Übermacht der Konzerne versuchen Verbraucherschutzorganisationen etwas entgegenzusetzen. Ganz im Sinne des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, der am 15. März 1962 grundlegende Rechte der Kunden formulierte. Die damals relativ neue Idee des Verbraucherschutzes gilt bis heute - und mündete nicht nur in unzählige Gesetze, sondern führte im Jahr 1983 auch zur Einführung des Weltverbrauchertages, der am Sonntag auf das Thema aufmerksam macht.
Anlässe gibt es viele: So billigte das Bundeskabinett am Mittwoch einen Gesetzesvorschlag des Umweltministeriums, der die Entsorgung von Elektrogeräten für die Käufer vereinfachen soll. Verbraucherschützer jedoch kritisieren, dass die geplante Rücknahmepflicht für Elektroschrott nur für Geschäfte mit einer Ladenfläche von über 400 Quadratmetern gelten soll und die Neuerung zudem nicht das wahre Problem löse. Das heißt - zumindest in den westlichen Indus- trienationen - nämlich Überfluss und geplante Obsoleszenz. In immer kleineren Abständen aufgerüstete Geräte suchen einen Käufer; da dürfen die Vorgängermodelle nicht lange halten und höchstens mit großem Aufwand zu reparieren sein. Absichtlich eingebaute Schwachstellen lassen sich zwar kaum nachweisen, deutlich erkennbar ist aber etwa eine Zunahme verklebter statt verschraubter Geräte. Beim US-Computerhersteller Apple gehört das zum Geschäftsmodell, aber auch das kürzlich vorgestellte neueste Smartphone des koreanischen Konkurrenten Samsung lässt sich vom Nutzer nicht öffnen; ein Austausch etwa des Akkus ist so kaum möglich.
Auch verwirrende Kennzeichnungen auf Lebensmitteln oder Elektrogeräten machen den Kunden zum Spielball der produzierenden und verkaufenden Industrie. Seit Jahren fordern Verbraucherschützer etwa, dass der Zucker- und Fettgehalt von Nahrungsmitteln auf den ersten Blick deutlich werden muss - durch eine farbliche Kennzeichnung, die sogenannte Lebensmittelampel. Die Hersteller dagegen taten sich schon damit schwer, die Schrift auf Joghurtbechern oder Konservendosen geringfügig zu vergrößern. Im Dezember verpflichtete sie das Bundesverbraucherschutzministerium dazu, allerdings dürfte auch die nun vorgeschriebene Buchstabenhöhe von mindestens 1,2 Millimetern für sehschwache Menschen zu klein sein.
Hinzu kommt das grundsätzliche Problem, dass manche Kennzeichnungen auf Lebensmitteln eher verwirren denn als Einkaufshilfe dienen. Verbraucherschützer wie Foodwatch kritisieren die deutsche Lebensmittelbuchkommission, die festlegt, wie Nahrungsmittel bezeichnet werden dürfen. Die Leitsätze führten in der Praxis zu Alaska-Seelachs ohne Lachs oder zu Kalbsleberwurst, die hauptsächlich aus Schweinefleisch bestehe, so Foodwatch. Eine Abschaffung der Kommission steht zwar laut Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) nicht zur Debatte, das Buch soll jedoch transparenter und verbraucherfreundlicher werden, wie er am Freitag ankündigte.
Und das Kennzeichnungsproblem geht weit über Lebensmittel hinaus: Diese Woche kritisierte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die undurchsichtigen Energieklassen bei Elektrogeräten. Im Handel seien gar keine Waschmaschinen mit einer Kennzeichnung schlechter als A+ erhältlich, die meisten Kunden gingen aber davon aus, dass eine solche sehr energieeffizient sei. Zudem gebe es bei verschiedenen Geräten unterschiedliche Skalenwerte, bemängelte vzbv-Vorstand Klaus Müller. Bei Staubsaugern etwa trügen die sparsamsten Geräte das Energielabel A, bei Waschmaschinen und Kühlschränken aber gehe die Skala derzeit bis A+++.
Im Mittelpunkt des diesjährigen Weltverbrauchertages stehen allerdings weder Nahrungsmittel noch Elektrogeräte, sondern die teilweise stark gestiegenen Kosten für Energie. Die hohen Strompreise, die die Industrie meist mit dem Verweis auf die von der Bundesregierung beschlossene Ökostromabgabe begründet, bedeuten für viele Haushalte inzwischen eine existenzielle Bedrohung. Im Jahr 2012 stellten die Versorger über 320 000 Menschen wegen unbezahlter Rechnungen den Strom ab - Tendenz steigend. Hartz-IV-Bezieher müssen ohnehin sehen, wovon sie sich die Stromkosten abknapsen können, da der Regelsatz nur eine Pauschale vorsieht, die aber laut einer Studie des Vergleichsportals check24.de die Kosten nicht deckt. Bei vielen Verbraucherzentralen können sich Privatkunden deshalb derzeit über Möglichkeiten zum Wechsel des Strom- oder Gasanbieters informieren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.