Die Lücke bleibt

Frauen verdienen im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer - am Abstand ändert sich über Jahre trotz vieler politischer Versprechen praktisch nichts

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Sich gegen die Diskriminierung von Frauen auf dem Lohnzettel auszusprechen, gehört zum Einmaleins des politischen Betriebs. Seit sich eine breitere Öffentlichkeit dafür interessiert, dass Männer im Schnitt ein knappes Viertel mehr bekommen und es »verdienen« nennen, sind Regierende reumütig, Gewerkschaften kämpferisch und die Opposition fordernd: So geht es natürlich nicht!

Da werden dann zum Beispiel solche Sätze aufgesagt: »Dem Staat kommt die Aufgabe zu, die Bemühungen aller Beteiligten durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen und Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen Frauen gleiche Verdienstchancen erhalten wie Männer.« Ausgesprochen hat das die CDU-Politikerin Ingrid Fischbach – im Jahr 2008. Damals wurde in der Bundesrepublik der erste »Equal Pay Day« veranstaltet, um auf die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern hinzuweisen – und Besserung voranzubringen. 2010 sagte die rheinland-pfälzische Frauenministerin Malu Dreyer von der SPD; die diskriminierenden Gehaltsunterschiede seien nach wie vor ein Skandal. 2012 erklärte die SPD-Abgeordnete Caren Marcks: »Unsere Geduld ist am Ende.« Ein Jahr später forderte Familienministerin Kristina Schröder: »Da müssen wir an die Ursachen ran.« 2014 hieß es dann: Familienministerin Manuela Schwesig und Arbeitsministerin Andrea Nahles (beide SPD) wollen sich mit der Ungleichheit von Frauen am Arbeitsmarkt nicht abfinden.

Das Statistische Bundesamt hat vor wenigen Tagen vorgerechnet, wie es um die Realität bestellt ist: Der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern sei »im Vergleich zu den Vorjahren konstant« geblieben. Im Bundesdurchschnitt ist der unbereinigte Gender Pay Gap für die Jahre 2006 bis 2014 – also die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes der Männer und Frauen im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer – praktisch gleich geblieben. Dem Mini-Rückgang von einem Prozent steht sogar eine deutliche Verschlechterung der Lage in Ostdeutschland gegenüber: Dort ist der Abstand geringer, was nicht zuletzt an den schlechter verdienenden Männern liegt – doch nun wächst hier die Lohnlücke deutlich.

Der »Equal Pay Day« markiert übrigens jenen Tag, bis zu dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssten, um rechnerisch auf das durchschnittliche Jahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu kommen. In diesem Jahr ist es 20. März. Wenn die Lohnlücke sich weiter mit der aktuellen Geschwindigkeit schließt, bekommen Frauen wohl erst in 110 Jahren, was sie verdienen: den gleichen Lohn wie Männer. tos

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -