Unwort und Unsinniges
Alexander Ludewig über die Fußball-WM 2022 in Katar
Alternativlos? Da war doch was. Seit Anfang 2011 versucht Bundeskanzlerin Angela Merkel dieses Wort zu vermeiden, mit dem sie vorher inflationär beispielsweise den Krieg in Afghanistan, das Finanzmarktstabilisierungsgesetz oder Sparprogramme für Griechenland verteidigt hat. Seit »alternativlos« im Januar 2011 zum Unwort des Jahres 2010 gewählt wurde, synonymisiert sich Merkel durch die große Politik. Besser geworden ist ihre dadurch nicht, siehe Griechenland.
In der Welt des großen Fußballs erlebt das Unwort gerade eine fortwährende Renaissance - seit März 2013. Seit die FIFA erstmals offiziell über eine Verlegung der WM 2022 in den Winter nachgedacht hat. Seit Donnerstagabend ist es Realität: Das Turnier in Katar wird vom 20. November bis 18. Dezember gespielt. Beschlossen wurde es in bester Weltverbandsmanier. »Es hat kein Votum per Handzeichen oder ähnlichem bedurft«, sagte FIFA-Mediendirektor Walter De Gregorio nach der Exekutivkomiteesitzung, auf der der bereits fertige Plan einfach nur verlesen wurde.
Alternativlos sei die Verlegung in den Winter, sagte also DFB-Präsident Wolfgang Niersbach dazu. Natürlich nicht ohne zu betonen, dass er ein großer Kritiker des Turniers in Katar ist. Wegen der Menschenrechtsverletzungen. An dieser Frage müsse dringend gearbeitet werden, so Niersbach: »Das sieht auch Joseph Blatter so.« Wenn der FIFA-Chef daran ebenso hartnäckig arbeitet wie an der Korruptionsbekämpfung in seinem Verband, dann könnten die vom Internationalen Gewerkschaftsbund schon 2013 befürchteten 4000 Todesopfer auf den WM-Baustellen tatsächlich noch traurige Realität werden.
»Das Wort suggeriert sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe«, lautete die Begründung zur Wahl des Unwortes 2010. Kurz zuvor wurde die WM an Katar vergeben. Dass dort im Sommer Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius herrschen, war damals auch schon bekannt. Und alternative Ausrichter standen schließlich auch zur Wahl.
Alternativlos ist Katar natürlich noch immer nicht. Allein der Wille fehlt, weil die Gier zu groß ist. Die großen Nationalverbände könnten boykottieren, wollen aber keinen Machtverlust riskieren, siehe Niersbach. Die Klubs begehrten kurz auf, weil ihre Saison unterbrochen wird, wollen nun aber auch nicht mehr rebellieren: Am Freitag spendierte die FIFA ihnen jeweils 195 Millionen Euro für die Turniere 2018 und 2022 für die Abstellung der Nationalspieler. 2014 waren es noch 65 Millionen. So schnell wird etwas Unsinniges alternativlos.
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