Freihandel statt Klimaschutz
Aktivistin Naomi Klein erklärt, was der Senkung der CO2-Emissionen im Wege steht
Wenn Naomi Klein über die Möglichkeiten spricht, zwar nicht den Klimawandel, aber doch dessen katastrophalen Verlauf aufzuhalten, geht das nicht ohne Forderung nach der Überwindung des globalen Kapitalismus und des ihm zugrunde liegenden Wachstumsprinzips. So hat es die kanadische Publizistin und Globalisierungskritikerin in ihrem kürzlich erschienenen, vielbeachteten Buch »Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima« dargelegt. Bei einer ausverkauften »Democracy Lecture«, die das Haus der Kulturen der Welt am Sonntagabend zusammen mit der Zeitschrift »Blätter für deutsche und internationale Politik« in Berlin veranstaltete, erläuterte die 44-jährige Aktivistin, es lasse sich heutzutage selbst bei Institutionen wie der Weltbank nachlesen, dass ein Klimawandel mit fatalen Auswirkungen stattfinde. Die Frage sei nur, wie dieser Katastrophe beizukommen ist und warum die Welt bisher bei der Eindämmung der Treibhausgasemissionen versagt hat. Klein erklärt das historisch: Das Bekanntwerden des Klimawandels sei zeitlich mit dem Zusammenbruch sozialistischer Staaten zusammengefallen. Es habe eine wahre »Manie für marktbasierte Lösungen« um sich gegriffen, wie sie sich auch im Emissionshandelssystem manifestierte. Finanzielle Anreize für erneuerbare Energien seien hingegen im Zuge der jüngsten Krise wieder eingestampft worden.
»Die größten Konflikte ergeben sich durch die Austeritätspolitik«, ist Klein überzeugt. Diese führe dazu, dass öffentliche Güter der Daseinsvorsorge privatisiert werden oder komplett unterfinanziert sind, und zwar nicht nur in Ländern wie Griechenland. So seien die Menschen in New Orleans nach dem Hurrikan »Katrina« tagelang allein gelassen worden. Doch auch dort, wo lokale Regierungen versuchen, Gemeingüter zu bewahren und die Wertschöpfung vor Ort zu halten, ergäben sich Probleme - durch Freihandelsabkommen. Nach dem Zusammenbruch der Autoindustrie im südostkanadischen Ontario, erzählt Klein, habe die Provinzregierung auf den Ausstieg aus fossilen Energien gesetzt. Bedingung der Transformation sei gewesen, vor Ort Arbeitsplätze in der Erneuerbare-Energien-Branche zu schaffen. Ein internationales Schiedsgericht habe dem jedoch ein Ende bereitet mit der Begründung, die Politik der Provinz verstoße gegen die Prinzipien des Freihandels.
Doch es gehe nicht nur um den Konflikt zwischen Neoliberalismus und Klimapolitik. Auch mit keynesianischen Regulierungsmaßnahmen sei es heute nicht mehr getan. »Wir müssen die Emissionen jedes Jahr um acht bis zehn Prozent senken. Dadurch geraten wir in Konflikt mit dem Wirtschaftswachstum«, meint Klein. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich nun der wachstumskritischen »Degrowth«-Bewegung verschrieben hat. »Wir müssen wählen können, welche Sektoren der Ökonomie wachsen und welche schrumpfen«, sagt sie. Und so werde der Kampf gegen den Klimawandel zu einer Frage der sozialen Gerechtigkeit und nicht etwa einer technologischen Lösung. Das Recht auf freie Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln könne auch als Klimaschutzmaßnahme verstanden werden, genauso wie ein Grundeinkommen, das den Menschen die Wahl lasse, Jobs in klimaschädlichen Branchen abzulehnen.
Die deutschen Klimaaktivisten Tadzio Müller und Luise Neumann-Cosel lieferten ergänzend Handlungsoptionen im Kampf für weniger Emissionen und mehr Klimagerechtigkeit, zum Beispiel den Rückkauf des Berliner Stromnetzes oder das Engagement für einen Kohleausstieg. Bei der diesjährigen UN-Klimakonferenz in Paris Druck zu machen, sei wichtig, waren sich alle drei Redner einig. Nur sollten die Erwartungen nicht zu hoch gehängt werden. Naomi Kleins Hoffnungsschimmer speist sich vor allem daraus, dass der Klimawandel eine neue Chance ist, Gerechtigkeit für den globalen Süden einzufordern, und daher auch für eine breite Bewegung taugt. Massenproteste im September 2014 während des Klimagipfels in New York hätten dies bereits gezeigt.
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