Hohe Hürde für ein NPD-Verbot

Bundesverfassungsgericht fordert Belege, wann der Verfassungsschutz seine V-Leute abzog

Die Sorge vor dem Scheitern des NPD-Verbotsantrags wächst: Die Karlsruher Richter wollen Beweise für einen Abzug der V-Leute sehen. Die Länder tun sich indes schwer mit einem Verzicht der Informanten.

Eigentlich ist nichts Ungewöhnliches geschehen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Montag im Zuge eines Vorverfahrens zum NPD-Verbot, das der Bundesrat im Dezember 2013 beantragt hatte, detaillierte Nachweise zum Abschalten der V-Leute aus der Partei eingefordert. Das war ein erwarteter Schritt der Richter. Denn bereits im Jahr 2003 war ein Verbotsantrag gescheitert, weil der Verfassungsschutz bis hinein in die Parteiführung Spitzel eingesetzt hatte. Um die rechtsextreme Partei aber verbieten zu können, dürfte das aber nicht sein, so die damalige Argumentation. Ansonsten könnten verdeckte Informanten die Partei zu verfassungsfeindlicher Agitation anstacheln und somit Gründe für ein Verbot liefern.

Nun hat es aber die Forderung des Bundesverfassungsgerichts vom Montag in sich: Die Richter verlangen nämlich von den Ländern unter anderem einen expliziten Nachweis darüber, dass das Parteiprogramm der NPD aus dem Juni 2010 »quellenfrei«, also ohne Mitwirken von V-Leuten zustande kam. Das könnte schwierig werden. Denn bislang gaben die Bundesländer lediglich an, ab April 2012 Materialien über das staatsfeindliche Agieren der NPD ohne Informationen von V-Leuten gesammelt zu haben.

Dennoch sehen die Innenminister der Länder, die am Montag in Brüssel auf einem Treffen zusammenkamen, keine Probleme bei ihrem Verbotsantrag. Die Verfassungsschutzbehörden hätten ihre Informanten vor dem aktuellen Verbotsverfahren abgeschaltet, sagte der rheinland-pfälzische Minister Roger Lewentz (SPD) als Vorsitzender der Innenminister-Konferenz. Sein hessischer Kollege Peter Beuth (CDU) erklärte: »Die Innenressorts werden nun gemeinsam mit den Prozessvertretern prüfen, wie der Bitte des Bundesverfassungsgerichtes auf geeignete Weise entsprochen werden kann.«

Mit ihrer Ankündigung können die Innenminister die Skeptiker des Verbotsantrages bisher nicht überzeugen. So befürchten die Grünen ein erneutes Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hört bereits ein »Alarmsignal«. Volker Beck, grüner Innenexperte, kritisiert die Innenminister, weil sie die Vorbehalte, ob die Abschaltung der V-Leute ausreichend und hinreichend nachvollziehbar ist, bislang in den Wind geschlagen hätten.

Auch die LINKE hat große Zweifel an dem Verbotsantrag. »Solange die Innenminister lediglich behaupten, dass sie auf die Informationen von V-Leuten aus der NPD verzichtet hätten, aber das nicht belegen wollen, müssen wir Fragezeichen setzen«, erklärte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau. Geheime Informanten in der Neonazi-Szene hält die LINKEN-Abgeordnete generell für problematisch: »Wir haben das im Zuge des NSU-Skandals gesehen, wie V-Leute mit der Unterstützung des Verfassungsschutzes oftmals erst zu führenden Neonazis wurden - siehe den Fall ›Corelli‹ oder den Fall ›Piatto‹.« Ulla Jelpke, Innenexpertin der Linkspartei im Bundestag, bezeichnet daher V-Leute in der Neonazi-Szene auch als »tickende Zeitbomben«.

Als einziges Bundesland beabsichtigt das rot-rot-grün regierte Thüringen bislang, alle geheimen Informanten des Verfassungsschutzes abzuschalten. Kritik an dem Alleingang der Landesregierung gab es von den CDU-Innenministern aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Dennoch appellierte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) im Hinblick auf das NPD-Verbotsverfahren am Montag an die übrigen 15 Länder, klare Zeichen zu setzen und sich komplett von den zwielichtigen V-Leuten zu trennen.

Bis zum 15. Mai muss der Bundesrat nun die entsprechenden Nachweise über den Abzug der Verfassungschutz-Informanten erbringen. Erst anschließend entscheiden die Karlsruher Verfassungsrichter, ob ein Hauptverfahren eröffnet wird - oder ob der Verbotsantrag erneut als unzulässig abgewiesen wird. Für Jelpke wäre das ein politischer »Super-GAU«.

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